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Frustpegel nähert sich dem Höchststand - wer überlebt die Welle und wer surft auf ihr?
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Wien. In der Politik gibt es einen Königsweg, um unangenehme Themen "abzudrehen". Man bringt ein neues Thema auf.
Bei der Hypo Alpe Adria ist das aus zwei Gründen keine Option. Erstens lässt sich die Hypo nicht abdrehen. Denn Finanzminister Michael Spindelegger will sich bis Sommer für die Bad Bank (eine Müllhalde für Milliarden an faulen Krediten) Zeit nehmen. Zweitens findet sich im Regierungsprogramm kein "Leuchtturmprojekt", das die Hypo überstrahlen könnte. Das heißt: In der heimischen Politik ist die Hypo-Ära angebrochen. Die Balkan-Bank mit Kärntner Migrationshintergrund wird überall hineinstrahlen, denn alle Regierungsprojekte stehen unter "Finanzierungsvorbehalt". Wenn sich also die Steuersenkung für den Mittelstand nicht ausgeht, wenn das strukturelle Nulldefizit bis 2016 auf der Strecke bleibt, wenn ein Blauer Defizit-Brief aus Brüssel eintrudelt, wenn die Wohnbau-Offensive stockt, wird man sagen: Danke Hypo, danke Herr, Frau. . . Ja, wem werden die Österreicher die Rechnung präsentieren? Von der Antwort hängen künftige politische Mehrheiten im Land ab.
Die Schuldfrage entscheidet
Wie entscheidend die Schuldfrage ist, zeigt sich bei der Hypo-Sondersitzung im Parlament am Montag. Dort schießen sich Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger gezielt auf die FPÖ ein und machen fast mantraartig Jörg Haider für das Hypo-Debakel verantwortlich. Für ihn solle sich die FPÖ entschuldigen, anstatt zu ätzen.
Und obwohl der verstorbene Landeshauptmann mit seinen "wahnwitzigen" (Spindelegger) Landeshaftungen den Grundstein für das Debakel erst gelegt hat, will es nicht gelingen, die Wellen der Empörung auf die FPÖ umzulenken. "Sie hauen heute auf einen verstorbenen Landeshauptmann hin, der sich nicht mehr wehren kann", kontert FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Generalsekretär Herbert Kickl wird später fragen: "Ist ihnen Haider aus dem Jenseits erschienen?"
Er bezieht sich auf die Notverstaatlichung der maroden Bank im Jahr 2009. Die war aus Sicht von ÖVP und SPÖ unumgänglich, weil Haider die Republik in Geiselhaft(ung) genommen hatte. Doch Haider starb 2008. Im zweiten Akt des Hypo-Dramas, nach 2008, sind die heute noch aktiven Politiker die Hauptprotagonisten. Und hier liegt das Problem für die Regierung, das die Grünen so formulieren: Zwar habe das System Haider den Hypo-Skandal ausgelöst, SPÖ und ÖVP seien in Kärnten aber abwechselnd Mitwisser und Mitverantwortliche gewesen. Den ÖVP-Finanzministern werfen die Grünen "verantwortungsloses Unterlassen, Verzögerungstaktik und falsche Entscheidungen" vor, die SPÖ habe tatenlos zugesehen.
Der zweite Akt im Drama

Am wenigsten ist ÖVP-Finanzminister Michael Spindelegger gemeint, denn der ist neu im Amt. Spindelegger apelliert an die Grünen und drängt zum nationalen Schulterschluss. Doch die haben die Regierung mit ihrem Budgetsprecher Werner Kogler jahrelang für den laschen Umgang mit der Hypo kritisiert. Iin dieser Rolle der Aufdecker surfen die Grünen auf der Empörungswelle. Das gilt genauso für die in dieser Frage unbefleckten Neos und paradoxerweise auch die FPÖ, weil der erste Akt des Dramas zu lange her und der Hauptdarsteller tot ist. Die Oppositionsparteien fordern nun einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Der wird am Montag von der Regierung abgelehnt. Doch er dürfte kommen - wie ÖVP-Bauernbundchef Jakob Auer fordert, nach einer "sechsmonatigen medialen Ruhepause". Damit ist er nach Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner der zweite ÖVP-Politiker, der sich nicht sträubt. Mit der Pause will er das Thema vom EU-Wahlkampf im Mai fernhalten. Schneidet die ÖVP schlecht ab, brennt die Scheune.
Die Hypo lässt sich aber ohnedies nicht aus dem Wahlkampf fernhalten. Denn im April muss Spindelegger der EU und dem Parlament seinen Finanz-Fahrplan für die nächsten Jahre vorlegen. Bis 2016 schreibt die EU ein "strukturelles" Nulldefizit vor. Das ist aus jetziger Sicht aber nicht erreichbar, sind sich Wirtschaftsforscher einig. Es könnte also noch vor der Europawahl der Sparstift gezückt werden müssen - und sei, dass Projekte nach hinten verschoben werden. Dann muss der ÖVP-Spitzenkandidat Othmar Karas, der bewusst auf eigene Faust wahlkämpft, schon sehr überzeugend sein, damit sich Spindelegger an der Spitze seiner Partei hält. Doch wer will Spindelegger jetzt beerben?
Neigungsgruppe Hypo
Im Unterschied zu Spindelegger sägt niemand an Faymanns Sessel. Doch wirft der Hypo-Effekt die SPÖ bei der EU-Wahl hinter die FPÖ, kann dies der Keim einer Debatte um den Vorsitzenden sein. Die Stabilität der Regierung selbst wird durch die Hypo nicht erschüttert, eher im Gegenteil. Sie schweißt die beiden Parteien zusammen. Denn bei dem aktuellen Frustpegelstand ist sie weit von einer gemeinsamen Mehrheit entfernt, beide würden bei Neuwahlen nur verlieren.
Spätestens 2018 zeigt sich dann, ob Haider mit dem von ihm verursachten Debakel die große Koalition posthum stürzt.