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Die ideale Feindfigur

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien. Foto: Daniel Novotny

Sag mir, was Du an Soros schlecht findest, und ich sag Dir, wer Du (politisch) bist.


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George Soros ist eine ideale Feindfigur. Da ist für jeden etwas dabei - je nach politischer Präferenz. Sag mir, was Du an Soros schlecht findest, und ich sag Dir, wer Du (politisch) bist.

Findet man, er sei ein skrupelloser Börsenspekulant, dann ist man ein Linker. Denn für Linke ist Soros eine Heuschrecke, ein gewissenloser Finanzhai, ein schamloser Profiteur, der gegen das Pfund gewettet hat.

Findet man jedoch, Soros bezahle Demonstrationen, wolle den Nationalstaat destabilisieren, lenke gezielt Migrationsströme - kurzum eine Hintergrundmacht, ein Drahtzieher, dann ist man ein Rechter. Es gibt viele reiche Spekulanten. Aber keiner weckt solche heftigen Emotionen. Das Besondere an dieser Feindschaft gegen Soros ist: Man ist nicht gegen ihn, weil er ein böser Reicher ist, sondern weil er - etwa mit seiner Open Society - auch Gutes tut. Man ist also nicht gegen das Schlechte, sondern gegen das Gute, das er tut. Das Gute ist für seine Feinde schlimmer. Deshalb muss seine Philanthropie diskreditiert werden. Diese wird verdächtigt - hinter all dem Guten stecke in Wahrheit ein böser Plan, ein Vorwand für dunkle Machenschaften. Deshalb gilt für Soros: je mehr Gutes, je mehr Philanthropie, desto verdächtiger.

Warum funktionieren eigentlich beide gegenteiligen Vorwürfe? Weil Soros - im Unterschied zu Typen à la Berlusconi oder Stronach - selbst widersprüchlich ist. Sein Engagement dient nicht dazu, jenes System, dem er seinen Reichtum verdankt, politisch zu befördern. Anders gesagt: Sein politisches Handeln entspricht nicht seinem ökonomischen Vorgehen. So können ihm Linke sein interessegeleitetes und Rechte ihm sein nicht-interessegeleitetes Handeln vorwerfen. Es gibt jedoch einen Punkt, an dem sich die beiden gegensätzlichen Vorhaltungen verbinden lassen. Und das ist der Antisemitismus.

Das antisemitische Ressentiment ist ein besonders widersprüchliches. Die Nationalsozialisten haben dies auf die Spitze getrieben: Für sie waren Juden die schlimmsten Kapitalisten und die schlimmsten Kommunisten. Zugleich.

Es ist wie bei Freuds "Kesselargument": Als ein Mann vom Nachbar beschuldigt wird, einen geliehenen Kessel beschädigt zurückgegeben zu haben, meint dieser: Er habe den Kessel unversehrt retourniert, außerdem sei er schon vorher löchrig gewesen und überdies habe er nie einen Kessel geliehen. Genau nach dieser Traumlogik funktioniert auch der rechte Antisemitismus: Der Jude ist Trotzki und Rothschild zugleich - ein "Kesselressentiment". (Wobei Soros’ "Kommunismus" ja eigentlich ein Anti-Kommunismus ist. Aber egal. Das tut der Ressentimentlogik keinen Abbruch.) Und genau das ist auch Gudenus’ "stichhaltiges Gerücht": Dieses bezieht sich nicht auf Fakten, die stichhaltig wären. Das Gerücht ist vielmehr selbst stichhaltig - es hält sich unabhängig von der Faktenlage. Denn es nährt sich von etwas anderem.

Anders als in der Realität heben sich die Widersprüche in solchem "Kesselressentiment" nicht auf - sie verstärken sich vielmehr. Soros, der Kapitalist, und Soros, der Philanthrop: Das relativiert sich nicht, sondern potenziert sich zur perfidesten Figur überhaupt: dem bösen Weltenlenker.