Industrie 4.0 ist vorrangig ein Thema der Bildungselite.
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Wien. "Können Sie in einigen Worten sagen, was Sie unter dem Begriff Industrie 4.0 verstehen?" So lautet eine der zentralen Fragen, die das Gallup-Institut kürzlich im Auftrag des Automatisierungsspezialisten Festo an 500 Personen richtete. Die Antworten geben zu denken: Lediglich ein Viertel der Befragten gab an zu wissen, was man unter Industrie 4.0 versteht, und nannte Schlagworte wie Digitalisierung, Vernetzung, Automatisierung oder das Internet der Dinge.
26 Prozent gaben an, ungefähr eine Vorstellung von dem Begriff zu haben. Rund die Hälfte konnte keine Definition liefern oder hatte den Begriff Industrie 4.0 überhaupt noch nie gehört. Was das Ergebnis so alarmierend macht? Die Befragten sind allesamt Mitarbeiter produzierender Industriebetriebe in Österreich. "Diese Ergebnisse sind ein Auftrag an die Politik, die Interessenvertretungen, die Bildungsinstitutionen, und vor allem auch an Österreichs Industrieunternehmen selbst, die Bedeutung von Industrie 4.0 in das Bewusstsein der Menschen zu bringen", zieht Rainer Ostermann, Country Manager von Festo Österreich, seine Schlüsse.
Und die Zeit drängt. Denn nach Dampfmaschine, Fließband, Elektronik & IT ist die vierte industrielle Revolution längst im Gange. Grundlage für die Industrie 4.0 sind "intelligente Fabriken", in denen sich die Produktion mit modernster Informations- und Kommunikationstechnik verzahnt. Durch digital vernetzte Systeme wird eine weitestgehend selbstorganisierte Produktion möglich: Menschen, Maschinen, Anlagen, Logistik und Produkte kommunizieren und kooperieren in der Industrie 4.0 direkt miteinander. Erklärtes Ziel ist: die Steigerung von Qualität, Effizienz, und Flexibilität. Wie das geht, macht unter anderen der Motorradhersteller Harley Davidson vor. Dort hat man die Produktionsprozesse mittlerweile von 26 Tagen auf sechs Stunden verkürzt. Zugleich wurde die Herstellung dermaßen individualisiert, dass man heute jedem Kunden sein "maßgeschneidertes" Bike liefern kann.
In Köpfen vieler Mitarbeiternoch nicht angekommen
Als ein weiteres Erfolgsbeispiel für Industrie 4.0 gilt die Verkehrsfluss-Steuerung des Hamburger Hafens. Dabei erfasst das Steuerungssystem die GPS-Daten von Speditionen und Lkw, schickt die Informationen über die Cloud direkt auf die Tablets der Lkw-Fahrer und koordiniert so Routen und Parkplatzkapazitäten. In innovativen Unternehmen ist die Industrie 4.0 also bereits angekommen, in den Köpfen vieler heimischer Industriemitarbeiter noch nicht. So fühlt sich laut dem "Trendbarometer Industriemitarbeiter" von Festo rund ein Viertel der Befragten "nicht ausreichend informiert, um das Thema einschätzen zu können". Vier Prozent sehen in der Industrie 4.0 "einen Hype, der vorübergehen wird." Ein Prozent glaubt gar, dass in erster Linie Asien und Amerika davon betroffen seien. Immerhin 70 Prozent beurteilen die Entwicklungen als einen Trend, der "ernst genommen werden muss".
Bemerkenswert: Während unter den Befragten mit Pflicht-, Berufs- und Fachschulabschluss nur 28 Prozent treffende Angaben zu Industrie 4.0 machen konnten, waren es bei Maturanten immerhin 39 Prozent und bei Mitarbeitern mit Universitätsabschluss sogar 62 Prozent. "Industrie 4.0
outet sich damit als Thema der Bildungselite. Das darf es aber nicht bleiben", betont Festo-Geschäftsführer Rainer Ostermann.
Akademiker haben amwenigsten Angst um ihre Jobs
Und wie steht es um die Angst vor dem Jobverlust? Laut einem Report des World Economic Forum sollen bis 2020 weltweit 7,1 Millionen Jobs dank Industrie 4.0 überflüssig werden, darunter 5,1 Millionen Routinejobs in Büro und Administration. Gesucht werden im Gegenzug Spezialisten für Business und Financial Operations, IT und Engineering. Laut Festo-Studie haben die Akademiker unter den österreichischen Industriemitarbeitern derzeit am wenigsten Angst um ihre Jobs. Hier erwarten 38 Prozent eher keinen Arbeitsplatzverlust durch Industrie 4.0, bei den Maturanten sind es 27 Prozent und bei Pflicht-, Berufs- und Fachschulabsolventen 25 Prozent.
Die Festo-Studie zeigt außerdem deutlich, dass die Kenntnisse über Industrie 4.0 nicht nur eng mit dem Bildungsstand, sondern auch mit der Strategie des Arbeitgebers zusammenhängen. Je innovativer das eigene Unternehmen wahrgenommen wird, desto besser wissen die Mitarbeiter über die Industrie 4.0 Bescheid.