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Die ignorierte Ware Mensch

Von Momcilo Nikolic

Politik
Salvatorianer versuchen ihre Mitmenschen über das Leid der Frauen aufzuklären.
© Korosec

Experte: Zu wenige Anlaufstellen für die Opfer von Menschenhandel in Wien.


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Wien. Einsam steht Lukas Korosec am Michaelerplatz im 1. Bezirk und jagt Flyern und Infozetteln hinterher, die der Wind weggetrieben hat. Korosec hat heute nämlich eine Mission: Er will die Wiener aufklären.

Die vergangene Woche stand ganz im Zeichen des Themas "Menschenhandel." Womit sich die Medien nur einige Tage beschäftigen, widmet sich Korosec das ganze Jahr. Er ist langjähriger Projektreferent der Salvatorianischen Gemeinschaft Österreich, einer kirchlichen Organisation, die sich gegen Menschenhandel starkmacht. Er weiß um die Unwissenheit der Wiener, was das Thema betrifft. Seit Jahren hat er mit verzweifelten Frauen - besser gesagt jungen Mädchen - zu tun, die aus aller Welt nach Wien verschleppt werden und um deren Schicksal sich niemand kümmert. Oder kümmern will.

In Wien sind 85 bis 90 Prozent der Prostituierten Migrantinnen, sagt Korosec. Dem Traum von einem besseren Leben folgend, fallen viele Mädchen und Frauen auf die Versprechungen der Menschenhändler herein und begeben sich in die Obhut der scheinbaren Heilsbringer. Doch statt Reichtum und dem Weg aus der Armut erwartet die Frauen Gewalt und Unterdrückung. Allein in einem fremden Land, werden ihnen Pass und Dokumente abgenommen. Die Menschenhändler bedienen sich hierbei mehrerer Tricks. Sie erledigen für die Frauen kostspielige Behördenwege und bringen sie in Wohnungen unter, die für die Opfer zu teuer sind. Und sie beginnen sie zu erpressen. Als einzigen Lösungsweg, der Schuldenspirale zu entfliehen, bieten sie ihnen die Prostitution. Wer sich weigert, wird geschlagen oder vergewaltigt. Die Menschenhändler drohen den Opfern auch meist, ihren Familien in der alten Heimat etwas anzutun, weiß Korosec aus Erfahrungsberichten der Opfer.

Mädchen und Frauen wie Kriminelle behandelt

"Das Schlimme ist, dass viele Frauen sich nicht melden. Sie haben Angst vor ihren Peinigern", erzählt Korosec. Die meisten Opfer stammen aus Bulgarien, Rumänien oder auch aus Nigeria und werden nach oder durch Österreich ein- und hindurchgeschleppt. "Viele Täter kommen aus dem familiären Umfeld. Zusätzlich zu den Drohungen macht es dieser Umstand den Frauen schwieriger auszusagen", berichtet Korosec. Das Geschäft mit Menschen ist ein lukratives. Laut einer Studie der Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen beziffert sich der Gewinn beim Menschenhandel weltweit auf mehr als 21 Milliarden Euro jährlich.

Die Aktion "Ware Mensch" der Salvatorianischen Gemeinschaft hat zum Ziel, die Einwohner in Wien mit dem Thema Menschenhandel zu konfrontieren. "Die Menschen haben bewusst oder unbewusst wahrgenommen, dass dieses Verbrechen auch in Österreich eine ernst zu nehmende Menschenrechtsverletzung darstellt", meint Korosec.

Dennoch. Es gibt noch viel zu tun. Denn der Umgang mit den Opfern gestalte sich als schwieriges Unterfangen. Einerseits würden die Mädchen und Frauen von der Öffentlichkeit oftmals als Kriminelle betrachtet werden, obwohl die organisatorische Maschinerie dahinter das Ziel von Strafverfolgung sein sollte. Auf der anderen Seite gibt es zu wenige Anlaufstellen, wie Lefoe, an die sich Opfer wenden können. "Meine größte Kritik ist eigentlich, dass es nur eine anerkannte Organisation gibt und andere Organisationen zu kämpfen haben, das nötige Budget zusammenzubekommen. Da stehen tausende Opfer ein paar Organisationen gegenüber, die sich bemühen, Schutz und Beratung anzubieten", kritisiert Korosec die Umstände. "Aber das ist schwer bis unmöglich. Es fehlt an Geld und aus meiner Sicht auch an öffentlichem Interesse von der Regierung."