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"Die Industrie ist kein Bittsteller"

Von Stefan Janny

Reflexionen
Mirko Kovats (li.), Mehrheitseigentümer und Chef der börsenotierten Mischkonzerns A-Tec, im Gespräch mit Stefan Janny: Steuerbelastung reduzieren. Foto: Robert Newald

Kündigungen statt Gehaltsverzicht in der Steiermark. | Entlastung und Verwaltungsreform statt höherer Steuern. | "Wiener Zeitung": Wenn Sie in einem Formular eine Berufsbezeichnung eintragen müssen, was schreiben Sie dort hin? | Mirko Kovats: Industrieller.


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Das heißt, Sie unterscheiden sich vom gemeinen Unternehmer?

Unternehmer ist ein weiter gefasster Begriff. Es gibt Handelsunternehmer, Bauunternehmer, Gewerbetreibende und eben Industrielle.

Die Industriellenvereinigung, deren Vorstand Sie angehören, hat angesichts der Wirtschaftskrise intensiv darauf gedrungen, dass die Regierung nicht nur Banken, sondern auch Industrieunternehmen mit finanziellen Garantien unter die Arme greift. Ist es für Industrielle nicht ein bisschen demütigend, den Staat um Unterstützung bitten zu müssen?

Das möchte ich so nicht im Raum stehen lassen. Das sind keine Unterstützungen, sondern Notwendigkeiten, weil das Bankensystem zum Stillstand gekommen ist. Dafür kann die Industrie nichts.

Wenn Banken keine Kredite mehr geben können, weil sie Liquiditätsprobleme haben, dann wirkt sich das auf die Industrie aus. Wenn das Working-Capital nicht da ist, führt das zur Schrumpfung, und Schrumpfung heißt Arbeitsplatzvernichtung. Arbeitsplätze, die einmal weg sind, kommen unter Garantie nicht mehr zurück. Die Industrie ist kein Bittsteller, sondern das Bankensystem funktioniert nicht, was die Industrie beileibe nicht zu verantworten hat.

Das heißt, auch Sie haben in den letzten Monaten die Erfahrung gemacht, dass die Banken bei der Kreditvergabe erheblich zurückhaltender geworden sind?

So ist es. Allerdings sind wir in der glücklichen Lage, dass wir ausreichend Liquidität haben. Kredite, die nicht verlängert werden, zahlen wir zurück. Diese vergleichsweise vorteilhafte Situation hat aber auch damit zu tun, dass wir weit weg von der Autoindustrie sind. Die Rezession trifft uns zwar punktuell, aber bei weitem nicht in jenem Ausmaß wie die Autoindustrie und deren Zulieferer, sodass wir mit dieser Situation fertig werden können. Aber Wachstum gibt es unter diesen Voraussetzungen keines, und natürlich gibt es als Folge der Rezession Arbeitsplatzreduktionen.

Sie haben den Mitarbeitern in einzelnen Ihrer Unternehmen auch einen Gehaltsverzicht vorgeschlagen.. .

In der Steiermark, richtig.

... was dort allerdings nicht auf große Zustimmung gestoßen ist.

So ist es.

Sie nehmen das kommentarlos zur Kenntnis?

Sicher nicht. Eine der Stärken meiner Gruppe, die auch von den Banken geschätzt wird, ist, dass wir komplizierte Situationen lösen und nicht verschleppen. Das heißt, auch hier wird es Lösungen geben.

Diese Lösungen bedeuten Kündigungen?

So ist es.

In welchem Ausmaß?

Das kann ich Ihnen nicht sagen, das machen die operativen Manager. Aber es werden Kündigungen erfolgen müssen. Wir können nur produzieren, was nachgefragt wird.

Auch wenn Ihre Unternehmensgruppe von der Wirtschaftskrise nicht ganz so heftig betroffen ist wie die Autoindustrie, im Maschinenbau und in der Antriebstechnik spüren auch Sie die Rezession.

In Teilbereichen des Maschinenbaus bei Emco in Hallein gibt es Rückgänge von 30 Prozent. Bei unseren deutschen Betrieben geht das Geschäft hingegen sehr, sehr gut. Bei Niederspannungsmotoren, die wir vorwiegend in Spielberg erzeugen, spüren wir die Rezession mit Absatzrückgängen von bis zu 50 Prozent. Das ist dramatisch.

Wie beurteilen Sie als Industrieller die Maßnahmen der österreichischen Bundesregierung zur Bekämpfung der aktuellen Wirtschaftskrise?

Im Rahmen der Möglichkeiten, die die Bundesregierung hat, stellen sie das dar, was machbar ist. Es wird sich zeigen, wie und wann die Kreditgarantien tatsächlich verfügbar werden. Wenn sie nicht oder nicht rechtzeitig kommen, wird es eben weitere hunderttausend Arbeitslose geben, davon können Sie mit Sicherheit ausgehen.

Sie vertrauen Zusagen der Regierung also nicht völlig?

Zwischen einer Zusage von Politikern und der Umsetzung vergeht oft viel Zeit. Das ist keine Kritik, das ist ein Faktum.

Wenn es zu lange dauert...

... dann brauchen wir es nicht mehr. Was weg ist, ist weg. Ich weiß nicht, ob das der Politik bewusst ist. Politiker sitzen nicht in den Unternehmen, ihnen ist die Dramatik vielleicht nicht vollständig bewusst.

Wie umsetzungsstark ist die Bundesregierung?

Das wird sich zeigen. Einiges hat sie umgesetzt, andere große Themen werden nicht angegriffen. Wir haben am Arbeitsmarkt eine Zwei-Klassen-Gesellschaft: gesicherte Arbeitsplätze in staatlichen Institutionen und staatsnahen Unternehmen, ungesicherte Arbeitsplätze in der freien Wirtschaft. Da ist zweifellos viel Sprengstoff drinnen. Da traut sich keiner drüber.

Was halten Sie von der aktuellen Diskussion über eine Wiedereinführung der Vermögensbesteuerung?

Man kann über alles reden, aber ich vermisse die ausgabenseitigen Einsparungsvorschläge. Höhere Einnahmen zu kreieren, ist keine Kunst. Mit einer Steuer- und Abgabenbelastung von 47 Prozent liegen wir deutlich über den USA und Großbritannien, die immer wieder als Beispiele für Vermögenssteuern zitiert werden. Bei bloß 30 Prozent Einkommenssteuer können sie auch Vermögenssteuer zahlen. Aber eines ist klar: Wenn man von Vermögenssteuer redet, betrifft das den kleinen Häuselbauer. Wenn Sie in den USA ein 200.000-Dollar-Haus besitzen, zahlen Sie Steuer. Ich bin nicht gegen die Vermögenssteuer, wenn man andere Steuern entsprechend reduziert. Aber bei uns werden Steuern immer nur erhöht.

Recht konkret scheint sich ein Konsens zu einer Vermögenszuwachsbesteuerung abzuzeichnen.

Und wo bleibt die Entlastung? Wo bleibt die Verwaltungsreform? Wir haben neun Bundesländer und 350.000 Beamte, so viele brauchen wir sicher nicht.

Sie befürworten die Abschaffung oder Reduktion der Zahl der Bundesländer?

Man kann sich durchaus einen Landeshauptmann und eine Landesregierung leisten. Aber der Rest darunter gehört durchforstet. Wer braucht die vielen Baubehörden? Da ließe sich die Wettbewerbsfähigkeit des Landes verbessern. Aber das ist politisch natürlich unlustig. Wir bräuchten nur die Bürokratie zu reduzieren und die gewaltige Schattenwirtschaft einzudämmen.

Wie würden Sie die Schwarzarbeit eindämmen?

Nicht durch Bestrafung, sondern durch Anreize. Wenn Sie in Skandinavien ein Haus bauen, können Sie als Privater die Mehrwertsteuer absetzen. Die wichtigste Maßnahme wäre aber sicher die Senkung der Lohnnebenkosten. Wenn ein Automechaniker 70 Euro plus Mehrwertsteuer kostet und der Pfuscher 30 Euro ohne Mehrwertsteuer, dann kann man die Schwarzarbeit nur durch die Senkung der Lohnnebenkosten reduzieren.

Wenn Sie nicht an Ausgabenkürzungen des Staates glauben, dann wird der Abbau der deutlich höheren Budgetdefizite wohl über höhere Steuern erfolgen müssen?

Das wird über hohe Inflationsraten funktionieren. Die klassische Umverteilung der Sparguthaben in die Schuldenrückzahlung, da kann keiner etwas dagegen machen. Das wird allerdings global und nicht nur in Österreich erfolgen.

Sie haben 2007 und 2008 Aktienpakete an börsenotierten Kupferhütten erworben, sind aber mit ihren Vorschlägen für eine Konsolidierung der Branche gescheitert und haben die Aktien wieder verkauft. Sind Sie froh, dass Sie die Aktienpakete noch vor dem Herbst vergangenen Jahres wieder losgeworden sind?

Retrospektiv betrachtet war es kein Nachteil.

Solche kreditfinanzierten Käufe von Aktienpaketen, manche bezeichnen es als Spekulation, sind jüngst allerdings verstärkter Kritik ausgesetzt.

Meine Strategie bei diesen Investitionen in Kupferbeteiligungen war immer eine industrielle und nie eine spekulative. Diese Strategie war auch zweifellos richtig. Dass wir aufgrund der Börsenkurssituation mit dem Ausstieg besser gefahren sind als wenn wir noch drinnen geblieben wären, ist zwar richtig, aber der Ausstieg war nicht das ursprüngliche Ziel. Wir sind keine Finanzinvestoren.

Osteuropa ist von der Rezession besonders betroffen. Wie schätzen Sie die Entwicklung in den nächsten Jahren ein?

Osteuropa gibt es nur in der Geografie. Volkswirtschaftlich betrachtet, sind das sehr unterschiedliche Staaten. Länder wie Tschechien, Slowakei, Slowenien, Kroatien und Polen sind sehr gut aufgestellt. Die werden aus der Rezession blitzartig herauskommen. Andere Länder wie Serbien, Rumänien oder Bulgarien werden sich schwerer tun.

Die hysterischen Osteuropa-Krisenszenarien, die geschürt wurden, halte ich für unsinnig. Man hat gesehen, dass auch der Internationale Währungsfonds kleinlaut zugeben musste, sich bei der Höhe der Verschuldung geirrt zu haben. Das Problem haben wir in Westeuropa, nicht Osteuropa.

Weil hierorts die Lohnkosten zu hoch sind?

Die Lohnnebenkosten sind zu hoch, die Flexibilität ist zu gering, und die Bürokratie ist überbordend. Das wird bei uns zu einer schleichenden Wohlstandsreduktion führen. Nicht heute, nicht morgen, aber übermorgen.

Zur PersonMirko Kovats wurde am 3. August 1948 in Wien geboren und studierte Handelswissenschaften an der Hochschule für Welthandel. Danach war Kovats längere Zeit hindurch als Händler für Maschinen in Osteuropa tätig. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs verlegte er sich vorerst auf Immobilieninvestments und -entwicklung.

In den 90er Jahren erwarb Kovats gemeinsam mit einem Partner zahlreiche Diskotheken. In diesem Zusammenhang ist wegen der Insolvenz des Tanzlokals "A2 Südpol" gegen ihn ein Verfahren wegen des Vorwurfs der betrügerischen Krida anhängig.

Ab Ende der 90er Jahre trat Kovats zunehmend als Sanierer angeschlagener Industrieunternehmen in Erscheinung und baute die in Wien börsenotierte Industrieholding A-Tec Industries auf, welche mit 13.000 Mitarbeitern in den Sparten Anlagenbau (AE&E Gruppe), Elektromotoren (ATB Austria Antriebtechnik AG), Werkzeugmaschinenbau (Emco, DST) und Kupferherstellung (Montanwerke Brixlegg) aktiv ist und zuletzt einen Gesamtumsatz von 3,26 Milliarden Euro erwirtschaftete.