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Österreichs Arbeitsrecht ist längst nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Eigene Bestimmungen für Selbständige, Arbeiter, Angestellte, Beamte und Vertragsbedienstete in Bund und Ländern sowie zahlreiche Sonderregelungen: "All diese zum Teil über Jahrzehnte gewachsenen Bestimmungen geben jedoch keine Antwort auf die Herausforderungen der neuen Arbeitswelt", erklärt VP-Sozialsprecher Walter Tancsits im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Er peilt daher langfristig eine Harmonisierung und Modernisierung des Arbeitsrechts an.
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Die Grundlage für das Angestelltengesetz stammt aus den 20er Jahren, die Rechte und Pflichten der Arbeiter beruhen noch auf der Gewerbeordnung aus dem 19. Jahrhundert, die Bestimmungen für Landarbeiter finden sich in neun Landesgesetzen und beim öffentlichen Dienst gliedern sich die Vorschriften in solche für Beamte und Vertragsbedienstete des Bundes und der Länder.
"Diese Bestimmungen gehen jedoch häufig an der arbeitsrechtlichen Realität der Gegenwart vorbei", erklärt Tancsits. Dies zeige sich darin, dass sich an deren Rändern neue Arbeitsverhältnisse entwickelten: Sonderregelungen für freie Dienstnehmer, Werksvertragsbedienstete oder auch für Manager mit Spezialaufgaben. Diesem Wildwuchs soll nun der Kampf angesagt werden. Dass dies jedoch nicht von heute auf morgen gehen wird, daran lässt auch der VP-Sozialsprecher und ÖAAB-Generalsekretär keinen Zweifel. Komplexe Rechtsgebiete wie Pensions-, Sozial-, oder eben Arbeitsrecht ließen sich nicht innerhalb kurzer Zeit wieder in einen homogenen Zustand versetzen. Der Weg zur Harmonisierung und Modernisierung muss daher über Einzelschritte führen. Am Ende soll es dann zu einem je einheitlichen Arbeitsrecht für Selbständige, Arbeitnehmer und den öffentlichen Dienst geben. Letzteres soll sich aber nur auf jenen Bereich erstrecken, wo die Bürger ein berechtigtes rechtsstaatliches Interesse haben. Für die Lehrer beispielsweise sieht Tancsits etwa keinen Platz mehr.
Mehr Flexibilität und Eigenverantwortung, aber gleichzeitig auch die selben Schutzbestimmungen für alle skizziert Tancsits als Eckpfeiler auf dem Weg zu einer Vereinheitlichung des Arbeitnehmerrechts. Orientieren werde man sich dabei sicherlich am derzeitigen Angestelltenrecht. Allerdings werde man auch nicht am Abschied von lieb gewordenen Errungenschaften wie etwa den Biennalsprüngen umhin kommen. Diese seien schon aus Sicht der Generationengerechtigkeit und der damit verbundenen Umverteilung der Lebensverdienstsumme zu hinterfragen. Mit der Zusammenlegung der Pensionsversicherungsanstalten von Arbeitern und Angestellten sei hier auch schon ein weiterer Schritt erfolgt. Eine weitere Herausforderung liegt in der Integration der so genannten freien Dienstnehmer in die gesetzlichen Interessensvertretungen der Kammern. Der Wechsel zwischen Selbständigkeit und Unselbständigkeit soll durch gleiche Sozialbeiträge und -leistungen erleichtert werden.
Eines der Hauptprobleme für eine Harmonisierung ist die Frage der Entlohnung. Derzeit dient die Arbeitszeit als Gradmesser. Dieser Zugang sei jedoch ein "Relikt der industriellen Ära", das nicht mehr in die heutige Arbeitswelt passe. Eine Möglichkeit könnte sein, bei der Entlohnung die Leistung vom Faktor Zeit zu entkoppeln und am Ergebnis aufzuhängen. Kreativität und Problemlösungsfähigkeit ließen sich eben nicht einfach in Stunden messen. Auf das Ergebnis komme es an. Allerdings, so gesteht Tancsits offen ein, sei man "politisch noch nicht so weit".
Sicher ist für ihn aber auch, dass bei diesem Reformprojekt nicht die Berufstätigen unter die Räder kommen dürfen. Denn statt durchgehender Arbeitsbiographien werde es in Zukunft einen ständigen Wechsel zwischen Selbständigkeit und Unselbständigkeit, aber auch die Gleichzeitigkeit
mehrerer Erwerbstätigkeiten geben. Hier müsse ein neues einheitliches Arbeitsrecht den Schutz und die soziale Sicherheit der Menschen mit berücksichtigen.