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Zentralbank gegen globale Inflation weitgehend machtlos. | Leitl: Dollar-Kurs drängt Exporteure an den Rand der Pleite. | EZB zu freigiebig? Fragwürdige Sicherheiten lösen Sorgen aus. | Ausgerechnet im Jubiläumsjahr steht das System der einheitlichen europäischen Geldpolitik vor seiner - möglicherweise - bisher größten Bewährungsprobe. Am 1. Juni 1998 wurde die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt gegründet. Seit der Einführung des Euro als Rechenwährung zum Jahresbeginn 1999 hat sie das alleinige Sagen, was - unter anderem - die Geldmenge und die Leitzinsen innerhalb der Währungsunion angeht. Das Hauptaugenmerk der EZB liegt auf der Preisstabilität, was dazu führt, dass sie das Zinsniveau im Euroraum eher hoch hält. Dadurch drosselt sie die Nachfrage, wodurch die Preise weniger rasch steigen. Andererseits dämpft das aber auch das Wirtschaftswachstum - und gerade das könnte sich nun zu einem ernst zu nehmenden Problem auswachsen.
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Wer gibt die Impulse?
Angesichts eines drohenden Konjunktureinbruchs wünschen sich einige Euro-Staaten - allen voran das in eine Immobilienkrise gerutschte Spanien und das hochverschuldete Italien - dringend Wachstumsimpulse geldpolitischer Natur. Da dafür einzig und allein die EZB zuständig ist, sind den Nationalstaaten hier aber die Hände gebunden.
"Die einzelnen Länder können sich Gott sei Dank nicht mehr mit einer Abwertung ihrer Währung helfen", meint Klaus Liebscher, der als Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank dem Rat der EZB angehört. Die Staaten seien aufgefordert, mit eigenen Konjunkturprogrammen gegenzusteuern.
Ob nun die Zeit reicht, die in der Vergangenheit versäumten Strukturreformen nachzuholen, scheint freilich fraglich. Dennoch dürfen sich die betroffenen Staaten kaum Hoffnung auf eine Zinssenkung machen, da die Inflation in der Eurozone weit über dem Zielwert von unter 2 Prozent liegt. "Es ist keine Entspannung angesagt. Ich sehe beim Leitzins derzeit keinen Spielraum nach unten", meint Liebscher zur "Wiener Zeitung" - eine Einschätzung, die neuerdings auch US-Notenbanker teilen: Die Inflation sei ein "unheimliches Biest", erklärte unlängst ein hochrangiges Mitglied der Fed.
Allerdings wirken die westlichen Zentralbanken zunehmend machtlos, wenn es darum geht, dieses Biest wieder zu zähmen. Laut Liebscher sind zwei Drittel der Inflationsrate extern bewirkt. Der jüngste Anstieg dürfte primär auf die global steigenden Öl-, Rohstoff- und Lebensmittelpreise zurückzuführen sein. Ausgelöst wurde er durch die aufstrebenden Volkswirtschaften in Asien und Lateinamerika, die ihre Zinsen unter der Inflationsrate halten und auf Teufel komm raus das Wirtschaftswachstum forcieren.
Währung anerkannt
"Die EZB kann gar nichts gegen die jetzige Inflation machen", meint Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl. Er übt heftige Kritik an der Hochzins-Politik der Zentralbank, die zuletzt auch den Euro auf ein Rekordhoch gegenüber dem Dollar getrieben hat. Das bringe heimische Exporteure, deren Waren im Dollar-Raum dadurch automatisch teurer werden, zunehmend in Bedrängnis, erklärt der WKO-Chef. Mittlerweile könne er sogar Unternehmenspleiten nicht mehr ausschließen.
Hier hält Liebscher dagegen, dass der Großteil der heimischen Exporte ja in den Euroraum gehe. Die einheitliche Währung sei die Basis nachhaltigen Wachstums geworden. Laut dem OeNB-Gouverneur ist die Arbeitslosenquote in der Eurozone seit 1999 von 10 auf 7 Prozent gesunken. Die durchschnittliche Inflationsrate lag bei 2,1 Prozent. International genießt die früher belächelte Gemeinschaftswährung hohes Ansehen: Mehr als ein Viertel der weltweiten Währungsreserven werden in Euro gehalten.
"Keine faulen Papiere"
Viel Lob hat die EZB zuletzt für ihre schnelle Reaktion auf die internationale Finanzkrise geerntet. Nach den ersten Anzeichen ernsthafter Schwierigkeiten hat sie im August 2007 ohne lange zu zögern riesige Summen an frischem Geld in die Märkte gepumpt, um einem Liquiditätsengpass vorzubeugen.
Allerdings werden mittlerweile Befürchtungen laut, dass die EZB im Zuge der Krise - im Handel mit den Geschäftsbanken - zu riskante Wertpapiere als Sicherheit akzeptieren und dadurch auf einer Menge fauler Papiere sitzen würde. Liebscher weist diese Sorge zurück: Derartiges sei ihm nicht bekannt.
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