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Die Intellektuellen im Krieg

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Die NATO-Intervention im Kosovo hat Wissenschafter, Künstler und Schriftsteller in ihren Stellungnahmen gespalten wie selten ein Thema zuvor. Viele, die bei Menschenrechtsfragen immer am gleichen | Strick zogen, finden sich plötzlich in entgegengesetzten Lagern und gehen auch verbal nicht immer fein miteinander um.


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Peter Handkes Parteinahme für die Serben etwa, hat die amerikanische Schriftstellerin Susan Sontag, die seinerzeit im Bombenhagel in Sarajewo Eugene Ionescos "Warten auf Godot" inszeniert hatte,

zu einem Vergleich mit dem französischen Nazi-Kollaborateur Louis Ferdinand Celine provoziert. Salman Rushdie findet für Handkes Verhalten die wenig schmeichelhafte Bezeichnung "Idiotie" und stellt

den österreichischen Autor auf eine Stufe mit Charlton Heston, den Vorkämpfer der amerikanischen Waffenlobby.

Aber auch die NATO-Gegner unter den Intellektuellen sind nicht mundfaul. Der englische Dramaturg Harold Pinter etwa beschreibt die US-Außenpolitik recht drastisch: "Küß mir den Arsch oder ich schlage

dir ins Gesicht. Milosevic hat sich geweigert den Arsch Amerikas zu küssen und jetzt schlägt Clinton ins Gesicht des serbischen Volkes." Und Harold Pinter hat in der Sache so prominente Mitstreiter

wie die Schriftsteller Gabriel Garcia Marquez (Kolumbien), Luis Sepulveda (Chile), Manuel Vazquez Montalban (Spanien), Alexander Solschenitzyn (Rußland), Lalla Romano (Italien) und die erst kürzlich

zu ihrem 90. Geburtstag hochgefeierte italienische Medizinnobelpreisträgerin Rita Levi Montalcini, die selbst in den Vierzigerjahren vor Mussolinis Rassengesetzen fliehen mußte und wohl weiß, was

Vertreibung bedeutet.

Aber auch die Liste der Befürworter der NATO-Intervention im Kosovo ist prominent besetzt und so mancher Name darauf überrascht. So sprach sich etwa die Schauspielerin Vanessa Redgrave, eine

überzeugte Pazifistin und Bannerträgerin der englischen Linken ebenso für die NATO-Angriffe aus, wie der deutsche Schriftsteller Günter Grass, der kürzlich befand, daß der NATO-Einsatz längst

überfällig war. Sie befinden sich in bester Gesellschaft mit dem Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel, den Schriftstellern Jorge Semprun (Spanien), Mario Vargas Llosa (Peru), den Philosophen Berhard-

Henry Levy und Andre Glucksmann (Frankreich) und Norberto Bobbio, der als großer alter Mann der italienischen Linken gilt. Auch der nicht unumstrittene Soziologe Daniel Goldhagen (Hitlers willige

Vollstrecker) befürwortet die NATO-Angriffe auf Jugoslawien.