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Auf dem Parteitag wurde Herbert Kickl mit mit 88,24 Prozent der Stimmen zum neuen FPÖ-Chef gewählt. Aber wie sehen ihn seine politischen Gegner?
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Es scheint, als wäre es die Ankunft am Ziel einer längeren Reise. Natürlich, als Herbert Kickl in der FPÖ startete, zunächst als Mitarbeiter der Parteiakademie, später dann schon als Redenschreiber Jörg Haiders, da zog es ihn selbst noch nicht in die erste Reihe. Auch musste man ihn erst überreden, unter Türkis-Blau Innenminister zu werden, hört man aus der FPÖ.
In Ministerwürden dürfte die einstige "graue Eminenz" der Partei, die im Hintergrund schon lange viele Fäden zog, aber das Rampenlicht nicht allzu sehr genoss, dann aber recht schnell auf den Geschmack der Macht gekommen sein; und spätestens zwischen Ibiza-Skandal und Corona-Pandemie dann auch nach noch höheren Weihen gestrebt haben.
Jedenfalls erzählen das politische Mitbewerber ebenso wie Personen aus dem freiheitlichen Umfeld. Und vieles an Strategie vollzog sich ohnehin in aller Öffentlichkeit. Der parteiinterne Richtungsstreit zwischen dem deutlich verbindlicher und gemäßigter auftretenden Ex-Parteichef Norbert Hofer und dem ganz auf Radikalopposition gebürsteten Kickl schwelte schon länger, bis er sich im Laufe der Corona-Pandemie zu einem Flügelkampf auswuchs.
Zunächst widersprach Klubobmann Kickl, der seinen Parlamentsklub hinter sich wusste, seinem Parteichef Hofer bei Corona-Impfungen und dem Tragen von Masken im Parlament - und brüskierte Hofer damit öffentlich. Dann intensivierten sich Kickls medial ausgetragene Sticheleien Schritt für Schritt, bis Hofer schließlich frustriert das Handtuch warf. Sowohl innerhalb als auch außerhalb der FPÖ wird das von vielen als gezielte Zermürbungstaktik Kickls gewertet.
"Provokateur, der Rolle als Brandstifter ausleben wird"
Wie auch immer die Genese sich genau gestaltete, am Samstag ist es jedenfalls so weit: Am außerordentlichen Parteitag der FPÖ in Wiener Neustadt wurde der bisherige Klub- mit 88,24 Prozent dre Stimmen zum neuen Parteichef gewählt. In seine Stellvertreter-Riege nimmt Kickl auch den niederösterreichischen Landesobmann Udo Landbauer auf, der einst wegen Liederbüchern mit NS-Gedankengut unter Druck geriet.
Wie der freiheitliche Kurs sich unter Kickl verändern dürfte, ließ dieser mit Aussagen wie Handlungen in den vergangenen Monaten bereits durchblicken: Er schärft die FPÖ auf einen kompromisslosen Oppositionskurs mit der ÖVP als Hauptgegner ein. Dazu kommt ein Annäherungskurs an Rechtsaußen, was der designierte Parteichef mit Unterstützung der Corona-Proteste einleitete und seiner Aussage, wonach die rechtsextremen Identitären ein "unterstützenswertes" Projekt seien, unterstrich. Auch am Ssamtag sagte er . die FPÖ werde die Oppostionsrolle "rechts" und "offensiv" interpretieren. Auch zu seiner eigenen politischen Gesinnung stellte Kickl klar, dass Vieles, "was heute als rechts verunglimpft" werde, schlicht normal sei. Aber wie sehen all das die Abgeordneten der anderen Parlamentsparteien?
Die ÖVP, die bis Mai 2019 mit der FPÖ koalierte, verteufelt inzwischen den radikalen Kurs, der mit Kickl als Klubobmann eingeschlagen wurde. "Kickl ist ein Provokateur, der der FPÖ die Regierungsfähigkeit nimmt, und seine Rolle als Brandstifter nun voll ausleben wird", sagt ÖVP-Europasprecher Reinhold Lopatka gegenüber der "Wiener Zeitung". Ähnlich hat sich auch schon ÖVP-Klubomann August Wöginger geäußert. Kickl bringe die FPÖ "von einer möglichen Regierungspartei weit weg in Richtung Fundamentalopposition in allen Bereichen", so der langjährige Parlamentarier Lopatka. Er verweist dabei vor allem auch auf die Haltung der Freiheitlichen zur EU. Da werde "das ganze Projekt verteufelt". Es werde "provoziert und skandalisiert, das sei Kickls Programm."
Auch für die SPÖ ist Kickls radikaler Kurs Grund für klare Abgrenzung. "Er vertritt politische Positionen, die absolut nicht akzeptabel sind", sagt SPÖ-Vizeklubobmann Jörg Leichtfried im Gespräch mit dieser Zeitung. Die Signale Richtung Rechtsaußen sind für die SPÖ ebenso ein No-Go wie seine Aussagen zur Corona-Pandemie und Auftritte mit Personen, die Verschwörungstheorien anhängen. Leichtfried räumt lediglich ein: "Im sozialpolitischen Bereich gibt es gewisse Überschneidungen." Das bezieht sich vor allem auf übereinstimmende Ansichten bei Verbesserungen bei den Pensionen oder im Bereich der Arbeitsmarktpolitik.
In diese Kerbe schlägt auch SPÖ-Wehrsprecher Robert Laimer: "Im Sozialbereich muss man differenzieren. Grundsätzlich gibt es da Berührungspunkte." SPÖ und FPÖ haben sich etwa gemeinsam gegen die von Türkis-Grün ab 2022 beschlossene Abschaffung der "Hacklerregelung" gestemmt. Zugleich streicht Laimer "Differenzen in gesellschaftspolitischen Fragen" zu den Freiheitlichen heraus. Insbesondere die stete Unterscheidung der FPÖ zwischen Österreichern und Zuwanderern aus dem Ausland. "Das ist in einer so polarisierenden Form, die es für die Sozialdemokratie unmöglich macht", betont Laimer. Insgesamt wird Kickl aus den Reihen der Sozialdemokratie durchaus eine gewisse Handschlagqualität bescheinigt - trotz seiner "persönlichen Unnahbarkeit".
"Einigendes Band" für rechtsextreme Bewegungen
Eine kaum weniger deutliche Abgrenzung kommt von den Grünen. "Der Kurs, auf den sich die FPÖ unter Kickl begibt, ist sehr besorgniserregend", sagt die grüne Sprecherin für Integrations- und Diversitätspolitik, Faika El-Nagashi zur "Wiener Zeitung".
Kickl verfolge eine gezielte Annäherung an den außerparlamentarischen rechten Rand. Rechtsaußen-Positionen sollen in der Öffentlichkeit noch präsenter gemacht werden, indem deren Proponenten und auch FPÖ-Politiker bewusst auf die Straße drängen und dort Präsenz behaupten, meint die grüne Abgeordnete.
Kickl liefere über seine "diskriminierenden und rassistischen Erzählungen das einigende Band" für rechtsextreme Bewegungen. Das funktioniere vor allem über das Kreieren eines Außenfeindes, wobei aktuell die "antimuslimische Erzählung" überwiege.
Eine andere prominente Grüne, die Kickl schon lange als Parlamentarier kennt, attestiert Kickl rhetorisches Talent bei gleichzeitig harter Ideologie. Auffällig sei seine persönliche Disziplin und Kontrolliertheit: "Emotional oder gar aufbrausend erlebt man ihn nie." Und wieder fällt das Wort "unnahbar", bei gleichzeitig großem "strategischen Fokus". Auch das Gefühl, von anderen im Parlament ausgegrenzt zu werden, schlage bei Kickl immer wieder durch mit gewissem Hang zu Verschwörungstheorien.
"Die radikale Oppositionspolitik Kickls ruft schon eine schwierige Situation hervor", sagt der stellvertretende Neos-Klubobmann Nikolaus Scherak. Das möge Zuwächse in den Umfragen bringen, gleichzeitig nehme sich die FPÖ damit für jegliche Regierungsbeteiligung aus dem Spiel.
Als Person sei Kickl ein "sehr geschickter Stratege", sagt ein anderes Neos-Klubmitglied, gleichzeitig habe er Handschlagqualität. Seit dem Ende von Türkis-Blau sei er aber von "persönlichem Hass" auf die ÖVP getrieben. Inhaltlich wisse man bei ihm verlässlich, was man bekomme. Dazu gehöre auch ein gesellschaftspolitisch noch konservativerer "Hardliner-Kurs" als bei manch anderem FPÖ-Parlamentarier.
SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch kennt den freiheitlichen Klubobmann seit langen Jahren im Hohen Haus. "Mein Eindruck ist, er hat sich verändert – in Richtung eines starren Oppositionspolitikers", befindet er. Mit dem Ende der türkis-blauen Koalition, bei der Kickl als Innenminister abgelöst wurde, sei ein "Knacks" eingetreten, der Kickl "belastet" habe. "Früher war es möglich, mit Herbert Kickl auf ein Bier zu gehen und auch über andere Dinge zu reden", erzählt Muchitsch. Inzwischen sei Kickl 24 Stunden am Tag auf "Revanche" gegenüber den Türkisen aus. Das mache auch inhaltliche Gespräche "mühsam".