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London · Die Stille ist vorbei. Zwei Jahre lang hatte man von Nordirlands republikanischer Untergrundorganisation IRA kaum etwas gehört · keine politischen Erklärungen und, noch
wichtiger, keine Schüsse und keine Explosionen. Nun hat sie sich, fast auf den Tag genau zwei Jahre nach Ausrufung ihres letzten Waffenstillstands im Juli 1997, wieder zu Wort gemeldet und zwar mit
der kaum verhüllten Drohung, sie könne auch wieder zu Waffen und Sprengstoff greifen, falls sie zur "Kapitulation" gezwungen werden solle.
Die IRA-Erklärung · nur Stunden vor neuen Gesprächen des britischen Premierministers Tony Blair mit dem Führer der protestantischen Unionisten, David Trimble, und dem Präsidenten des politischen IRA-
Ablegers Sinn Fein, Gerry Adams, veröffentlicht · war Donnerstag Gegenstand vielfältiger Deutungsversuche. Denn einerseits hieß es darin, die Abgabe der IRA-Waffen komme "im gegenwärtigen politischen
Zusammenhang" nicht in Frage, andererseits hieß es, die britische Regierung könne diesen "Kontext" durchaus ändern. Und die IRA habe "definitives Interesse" am Gelingen des Friedensprozesses.
"Nicht hilfreich" befand jedoch Londons Nordirland-Ministerin Mo Mowlam. Ein Wort, das auch Alex Attwood von der katholisch-gemäßigten SDLP benutzte. Von einer "sehr verhängnisvollen Entwicklung"
sprach Jeffrey Donaldson von der wichtigsten Unionistenpartei UUP. Und die protestantischen Hardliner von Ian Paisleys DUP, die schon immer gegen den Friedensprozeß waren, sahen sich bestätigt: Die
IRA halte Blair "die Pistole an die Schläfe".
Abgesehen von den protestantischen Hardlinern hatten sie alle · und ganz besonders die Regierungen in London und Dublin · auf eine ganz andere Erklärung der IRA gehofft. Wenigstens die, daß "der
Krieg vorbei" sei, bestenfalls sogar, daß man zur Entwaffnung bereit sei, wenn nur der Friedensprozeß vorangehe. Denn der steckt 15 Monate nach dem vielgefeierten Karfreitags-Abkommen von 1998 in
seiner bisher schwersten Krise.
Der wichtigste Teil, die Bildung einer nordirischen Regionalregierung unter Einschluß von Sinn Fein, wurde nicht umgesetzt, weil sich Donnerstag vergangener Woche die Unionisten weigerten, mit den
katholischen Republikanern an einem Kabinettstisch zu sitzen. Die Unionisten sehen Sinn Fein und die IRA als ein gemeinsames Ganzes · deswegen müsse die IRA zunächst die Waffen abgeben, bevor man
gemeinsam regieren könne. Die IRA erklärte dazu jetzt drohend, sie habe schon 1996 den vorletzten Waffenstillstand gebrochen, weil damals die konservative Regierung die "Kapitulation" gefordert habe.
Mit ihrer nicht näher erläuterten Forderung, die britische Regierung solle den "politischen Zusammenhang" einer möglichen Entwaffnung so ändern, daß diese nicht als Niederlage verstanden werden
könne, sucht die IRA allem Anschein nach nicht nur Druck auf Blair auszuüben, sondern auch die Verhandlungsführer von Sinn Fein zu stärken. Parteipräsident Gerry Adams und dessen rechte Hand Martin
McGuinness haben, obwohl beide früher angeblich herausragende Karrieren bei der IRA hatten und McGuinness noch heute einer der Generäle der IRA sein soll, bisher stets argumentiert, sie könnten nicht
für die IRA sprechen, die ihnen keineswegs blind folge.
Doch die Erklärung dürfte es den kompromißbereiten Protestanten, zu denen UUP-Chef und Friedensnobelpreisträger David Trimble gezählt wird, noch schwerer als bisher machen, das Parteivolk zum Handel
und zum Handeln mit Sinn Fein zu bewegen.