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Die Iran-Sanktionspolitik ist gescheitert

Von Adrian Lobe

Gastkommentare
Adrian Lobe ist freier Journalist.

Der Iran hat sich bei der Entwicklung seines Atomprogrammes bisher vom Westen nicht aufhalten lassen - und wird ungehindert weitermachen.


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Seit dem 1. Juli sind die EU-Sanktionen gegen den Iran in Kraft. Rund 25 Prozent der iranischen Exporte landen auf dem europäischen Markt. Wenngleich das Exportvolumen heuer um 40 Prozent geschrumpft ist, wird der Iran kaum Probleme haben, neue Abnehmer für sein Öl zu finden. Schon jetzt sind Indien und China wichtige Importnationen. Das Reich der Mitte lechzt nach Rohstoffen. Und wenn es um die Wirtschaft geht, ist den Chinesen der Ruf ihrer Handelspartner herzlich egal.

Die Sanktionspolitik des Westens ist auf ganzer Linie gescheitert. 1996, als der US-Kongress den "Iran Sanctions Act" (ISA) verabschiedete, verfügte der Iran über keine einzige Zentrifuge. 16 Jahre später fällt die Bilanz ernüchternd aus. Im Februar 2012 gab es nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) 8800 Zentrifugen. Die Waffeninspektoren schätzen, dass der Iran mehr als fünf Tonnen schwach angereichertes Uran erzeugt haben dürfte. Ergo: Die Handelsbeschränkungen haben ihr Ziel, den Atomausbau zu stoppen, verfehlt. Der Iran treibt sein Nuklearprogramm weiter voran - und die internationale Staatengemeinschaft muss tatenlos zusehen.

Der Konfrontationskurs des Westens wird das Mullah-Regime nicht zum Einlenken bewegen können. Im Gegenteil: Er verschärft die innen- und außenpolitischen Spannungen. Als Reaktion auf das Ölembargo hat der Iran mit Vergeltung gedroht. "Wir werden eine Antwort auf diese böswillige Politik geben", sagte der iranische Zentralbankgouverneur Mahmud Bahmani.

Um der Bedrohung entgegenzutreten, gibt es mehrere Möglichkeiten:

Diplomatie. Diese Variante ist äußerst optimistisch. Die Verhandlungen sind festgefahren. Das Regime in Teheran zeigt sich wenig gesprächsbereit, die UN-Waffeninspektoren werden hinters Licht geführt.

Schärfere Sanktionen. Dazu müssten die Vetomächte China und Russland mitspielen. Doch sie werden ihrem strategischen Verbündeten nicht in den Rücken fallen.

Eine militärische Intervention. Diese erscheint ebenso unrealistisch, weil für einen Machtwechsel schlicht die Mittel fehlen. Die USA werden sich nicht noch einmal auf ein Eingreifen im Mittleren Osten einlassen. Zudem wäre eine völkerrechtliche Legitimation höchst problematisch.

Atomare Abschreckung. Diese Option hat wenig Aussicht auf Erfolg. Die Pläne der USA, in Tschechien und Polen einen Raketenschutzschild aufzubauen, scheiterten am Widerstand der Russen.

Die letzte Möglichkeit: Der Iran bekommt die Bombe. Dieses Szenario wäre für die internationale Staatengemeinschaft vermutlich weniger bedrohlich als befürchtet. Der Neo-Realist Kenneth Waltz argumentiert in einem Beitrag für das Fachblatt "Foreign Affairs", dass die Atombombe für ein Gleichgewicht der Mächte und Stabilität in der Region sorgen würde.

Das Regime in Teheran fühlt sich durch die Atommacht Israel bedroht und verfolgt legitime Sicherheitsinteressen. In diesem Bestreben wird sich der Iran wohl kaum von seinem Atomprogramm abbringen lassen.