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Dass irgendeine Zeitung titeln würde "Wir sind Oscar", war klar. Seit die deutsche "Bild" die Wahl eines Bayern zum Papst mit "Wir sind Papst" feierte, sind "wir" bei jeder Gelegenheit alles, was irgendwie glanzvoll ist. Womit sich der Patriotismus wieder einmal auf Irrwege begibt. Preise und Anerkennungen für individuelle Leistungen gehen nämlich immer und ausnahmslos an eine bestimmte Person, nicht an das Land, in dem diese Person geboren ist, und nicht an die Nation, der diese Person angehört. Und zwar auch dann nicht, wenn der Preis auf dem Papier, wie im Fall des Auslands-Oscars, an ein Land vergeben wird. Das ist lediglich eine Frage der Statuten, nicht des Inhalts.
Die Feststellung, dass"wir" Oscar sind, ist indessen nur die Schaumkrone einer medial aufgewühlten Welle des Patriotismus, die in der Folge der Academy-Award-Verleihungen durch das Land flutet und offenbar alle Vernunft ertränkt. Wir sind wir, das sowieso und schon immer, und jetzt sind wir außerdem jemand, und die anderen sind die anderen. Patriotismus erkennt keinen Unterschied zwischen Nation und Individuum.
Die Absurdität dieses "Wir" erkennt man indessen, führt man den Gedanken weiter: In Österreich gibt es beispielsweise, so traurig es ist, mehr Gewalttaten in der Familie als oscarausgezeichnete Filme und oscarausgezeichnete Schauspieler. Wenn "wir" Oscar sind, sind "wir" auch Fritzl. Doch "wir" sind weder Fritzl noch Oscar. Und "wir" werden selbst dann nicht Papst sein, wenn das Konklave eine aus heutiger Sicht überraschende Entscheidung fällen sollte.