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Die Islamisten im Nacken

Von Arian Faal

Politik

USA und Iran ringen in Wien um Lösung im Atomstreit - davon hängt künftige strategische Partnerschaft im Kampf gegen IS-Terrormiliz ab.


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Wien. Ob es mit dem Iran je zu einer Einigung im Atomstreit kommen wird, ist keinesfalls sicher. Zumindest aber reden die seit 35 Jahren verfeindeten Erzrivalen USA und Iran seit etwa einem Jahr wieder auf hochrangiger Ebene miteinander. Über ein Atomabkommen, aber auch über den Terrorismus im Nahen und Mittleren Osten und das nach wie vor große gegenseitige Misstrauen. Die Wahl des moderaten iranischen Präsidenten Hassan Rohani im Juni 2013 und seine Charmeoffensive gegenüber dem Westen haben das Unmögliche möglich gemacht.

Als US-Außenminister John Kerry höchstpersönlich am Mittwoch nach Wien reiste, um bei einer weiteren Runde der Atomgespräche doch noch den Rahmen für eine endgültige Einigung bis zur Deadline am 24. November mit seinem iranischen Amtskollegen Mohammad Javad Zarif zu avisieren, hatte man den Eindruck, die diplomatischen Verwerfungen von einst sind vergessen. Statt mürrischer Gesichter gab es freundliche Gesten, herzliche Atmosphäre - und den ernsthaften Willen, ein Abkommen zu erzielen.

Denn ein Atom-Deal hätte weitreichende Folgen. Vor allem im Kampf gegen die sunnitischen Extremisten des Islamischen Staates (IS), die Irans Nachbarländer instabilisieren, würden sich neue Perspektiven eröffnen. Schon jetzt müssen Washington und Teheran im Irak nolens volens zumindest hinter vorgehaltener Hand an einem Strang ziehen. Während Washington die kurdischen Kämpfer im Nordirak mit Waffen und Munition ausstattet, schickt Teheran neben technischem Know-how vor allem Elitetruppen der Revolutionsgarden in den Kampf gegen den IS.

So kommt es über dem irakischen Luftraum zu einem grotesken Bild: Die US-amerikanischen Flugzeuge sind nicht die einzigen Transportflieger, die mit Waffen die Kurden im Nordirak ansteuern. Auf dem Flughafen im nordirakischen Erbil landen laut internationalen Medienberichten auch ständig iranische Flieger. Die Jets, die ohne Schriftzüge unterwegs seien, entladen ihre Fracht in einem Hangar etwas abseits des zivilen Flughafens. Damit unterstützen sowohl das Weiße Haus als auch Teheran die Kurden, um die dschihadistischen IS-Kämpfer an einem weiteren Vormarsch zu hindern.

Eine strategische Zusammenarbeit mit dem Westen im Kampf gegen die IS-Terrormiliz hat Irans Präsident Hassan Rohani allerdings an eine Einigung im Atomstreit geknüpft. Umgekehrt haben die USA einen Vorschlag Teherans ausgeschlagen, im Gegenzug für Zugeständnisse bei seinem Atomprogramm den Kampf gegen die Extremisten des Islamischen Staates (IS) zu unterstützen. Der Iran hat zudem Öl und ist geografisch und strategisch so wichtig, dass eine Stabilität in der Region nicht ohne die Mithilfe Teherans zu erreichen ist. Das wissen die Amerikaner. Andererseits braucht die angeschlagene iranische Wirtschaft dringend einen Deal.

Bis 24. November ist Zeit

Ist der Atomstreit jedoch einmal gelöst, könnte der Iran ein wichtiger Bestandteil der von den USA angeführten internationalen Koalition gegen die IS-Extremisten sein. Der Druck und die Nervosität sind jedenfalls groß. Den Segen für eine Flexibilität im Gespräch mit den Amerikanern, sogar für eine Zusage für eine Reduktion der Anzahl der umstrittenen Zentrifugen, soll sich Zarif übrigens vom mächtigsten Mann im Iran, Ayatollah Ali Khamenei, persönlich geholt haben.

Das Tauziehen im Atomstreit geht im Wiener Palais Coburg jedenfalls weiter. Zu Beginn verhandelte Irans Außenminister Zarif mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton, danach stieß auch Kerry hinzu. Die Unterredung dauerte ungewöhnlich lang - auch nach dreieinhalb Stunden zeichnete sich noch kein Ende ab. Die Anzahl der Zentrifugen, der Zeitplan für die Suspendierung der westlichen Sanktionen gegen Teheran und iranische Garantien über die ausschließlich friedliche Nutzung der Nukleartechnologie standen auf der Agenda. Zarif hatte im Vorfeld laut iranischem Sender Press TV von "beträchtlichen Differenzen" gesprochen, die noch zu überwinden seien.

Nach elf Jahren ist der Streit an einem entscheidenden Punkt angekommen. Am Donnerstag soll die komplette 5+1-Gruppe (fünf UN-Vetomächte plus Deutschland) auf Ebene der politischen Direktoren zu den Verhandlungen stoßen.