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"Die Isolation von Nordzypern ist hausgemacht"

Von Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Zyperns Finanzminister Michael Sarris im "WZ"-Interview. | Inselstaat will Euro ab 2008.


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"Wiener Zeitung":Mitte Mai entscheidet die EU-Kommission, ob Zypern und Malta Anfang 2008 als nächste Länder der Eurozone beitreten. Schafft Zypern es?Michael Sarris: Ja sicher, wir haben sowohl die Anforderungen der Europäischen Zentralbank als auch die Maastricht-Kriterien erfüllt und die technischen Vorbereitungen laufen gut. Nun arbeiten wir daran, die Menschen in Zypern auf die Umstellung vorzubereiten. Wie überall in Europa gibt es auch hier Sorgen über den Wechsel zum Euro.

Die Mehrheit der Zyprioten ist nicht gerade glücklich über die Einführung.

Die Mehrheit vielleicht schon. Wegen des Tourismus und weil die Zyprioten ziemlich viel reisen ist der Euro bis zu einem gewissen Grad auch schon geläufig. Gerade etwa ältere Menschen und die Landbevölkerung brauchen aber noch besondere Aufmerksamkeit.

Die Menschen fürchten wohl vor allem Preissteigerungen.

Das ist richtig: Aufrundungen, anfängliche Inflation und übertriebene Geschäftemacherei. Wir arbeiten an detaillierten Vereinbarungen mit Supermärkten und Berufsverbänden, um dieses Phänomen auf ein Minimum zu begrenzen.

In den Beziehungen zum Nordteil der Insel tut sich indes wenig. Halten Sie den von Berlin angestrebten EU-Direkthandel für einen ersten Schritt in Richtung Normalisierung oder sehen Sie die Gefahr einer schleichenden Anerkennung der Türkischen Republik Nordzypern?

Wir sind dafür, die bestehende rechtliche Infrastruktur zu nutzen, um wirtschaftliche Tätigkeiten in den besetzten Gebieten zu erleichtern. Es wäre ein Fehler, auf einer kleinen Insel doppelte Infrastrukturen aufzubauen. Wir sollten unsere Energien besser dazu nutzen, eine Lösung zu finden, die die Wirtschaft und das Territorium vereinigt.

Sie sind also gegen die Bestrebungen des deutschen EU-Vorsitzes?

Wir haben unsere Vorbehalte gegenüber Vorschlägen, die eher Trennung festigen, als Integration fördern.

Was müssen also die nächsten Schritte sein?

Es muss direkte Gespräche zwischen griechischen und türkischen Zyprioten geben. Ich bin aber nicht optimistisch, dass es die bald geben wird. Manchmal habe ich den Eindruck, die türkischen Zyprioten wären dazu bereit, aber die Türkei will das nicht.

Wie beurteilen Sie die Fortschritte der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei? Das geht ja schleppend voran.

Die Türkei hat gegenüber der EU einige Versprechungen gemacht - auch bezüglich ihrer Beziehungen zu Zypern. Deren Erfüllung hat sich für Ankara aber als politisch schwierig herausgestellt. Grund dafür sind etwa die türkischen Wahlen und unterschiedliche Ansichten darüber, wie wünschenswert der EU-Beitritt überhaupt noch ist.

Die türkische Regierung sagt, sie habe die Öffnung der Häfen für zypriotische Schiffe nur zugesagt, wenn im Gegenzug die Isolation Nordzyperns gelockert wird.

Diese beiden Angelegenheiten haben nichts miteinander zu tun. Die Türkei hat ein Abkommen unterzeichnet, in dem sie die Öffnung der Häfen zusagt. Das ist keine Frage von weiteren Verhandlungen sondern der Einhaltung eines Vertrags, der mit der EU abgeschlossen wurde, nicht mit Zypern. Und bei der so genannten Isolation handelt es sich unserer Ansicht nach um eine politisch motivierte, selbst auferlegte Isolation. Die Probleme sind eher hausgemacht.

Nordzypern isoliert sich selbst?

Nur ein Beispiel: Wir wollten Lastwagen aus dem Norden mit Orangenlieferungen die Durchfahrt durch den Süden zu einem legalen Hafen für den Export gestatten. Die türkischen Geschäftsleute waren einverstanden und haben sogar Lieferverträge mit Kunden außerhalb Zyperns abgeschlossen. Dann haben die nordzypriotischen Behörden blockiert. Sie erklärten sich sogar bereit, die Lieferanten zu entschädigen. Der Grund dafür ist schlicht, dass sie nicht akzeptieren wollen, dass es einen Hafen gäbe, über den sie ihre Produkte exportieren und so ihre Isolation beenden könnten. Sie wollen ihren eigenen Hafen, das ist ihre politische Forderung.

Immer wieder hört man vom Problem der Geldwäsche in Nordzypern. Es gibt massive Investitionen britischer und israelischer Geschäftsleute, Casinotourismus. Sehen Sie dieses Problem auch?

Ich habe keine direkten Informationen darüber, aber ich befürchte es. Es gibt viel Bautätigkeit, immer mehr wirtschaftliche Aktivitäten - das Wirtschaftswachstum beträgt fast zehn Prozent - und Casinos mit vielen ausländischen Besuchern, etwa aus Israel. Das sind Signale, dass viel Geld fließt.

Könnte es ein Interesse geben, die Trennung aufrecht zu erhalten, um die scheinbare rechtliche Grauzone im Norden zu bewahren?

Es gibt die Hypothese, dass manche Leute den Norden nicht der Disziplin der EU unterwerfen, sondern ihn eher in der chaotischen Situation belassen wollen, wie sie auch in der Türkei existiert - bis diese möglicherweise irgendwann einmal beitritt.

Wann könnte es denn soweit sein?

Vielleicht in 20 Jahren, wer weiß.

Zur Person

Der Wirtschaftswissenschaftler Michael Sarris ist seit September 2005 Finanzminister Zyperns. Während seiner fast dreißigjährigen Karriere in der Weltbank war er davor in leitender Position für Projekte in Afrika, Lateinamerika und Fernost zuständig. Seine berufliche Laufbahn begonnen hatte er 1972 bei der zypriotischen Zentralbank.