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Die israelische Siedlungspolitik ist der Prüfstein für Frieden im Nahen Osten

Von Rainer Mayerhofer

Analysen

"Das palästinensische Volk dankt Benjamin Netanyahu aus tiefstem Herzen für den Dienst, den er ihm erwiesen hat", sagte ein palästinensischer Journalist am Rande der Pressekonferenz, die US-Vizepräsident Joe Biden nach seinem Treffen mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas in Ramallah gab. Die während des Biden-Besuchs vom israelischen Innenministerium gemachte Ankündigung, in Ostjerusalem 1600 neue Wohneinheiten zu errichten, ist ein Schlag ins Gesicht der Amerikaner, die sich um die Wiederaufnahme der Friedensgespräche bemühen. Sie sei "ein neuer Rekord in diplomatischer Torheit", konstatiert die oppositionelle Kadima-Partei von Tzipi Livni, der ein solcher Fauxpas wohl nicht passiert wäre. Vor allem aber zeigt die israelische Regierung damit, welchen Stellenwert sie der Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den Palästinensern einräumt.


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Mahmoud Abbas, der unter schwerem Beschuss der Hamas stand, weil er zu indirekten Gesprächen mit Israel bereit war, hat durch das israelische Vorgehen eine Atempause erhalten und kann den Gesprächen nun eine Absage erteilen, ohne international in Kritik zu geraten. Die Arabische Liga, die ihm in der Vorwoche eine befristete Empfehlung für die Aufnahme indirekter Gespräche mit Israel gegeben hatte, stellt fest, dass Verhandlungen nutzlos seien, solange Israel von seinen Bauvorhaben nicht abrücke.

In Wirklichkeit geht es ja um viel mehr als bloß um die jetzt angekündigten 1600 Wohnungen in der Siedlung Ramat Shlomo. Die israelische Zeitung "Haaretz" berichtete am Donnerstag, rund um Jerusalem seien etwa 50.000 Wohneinheiten geplant. Die Pläne für 20.000 davon seien schon in einem fortgeschrittenen Stadium der Genehmigungsverfahren.

Die israelische Siedlungspolitik, die der Anlass für den Abbruch der Gespräche zwischen den Streitparteien war, wird auch in Zukunft der wichtigste Prüfstein für einen Frieden im Nahen Osten sein. Und der jüngste Zwischenfall wird auch dazu führen, dass die internationale Gemeinschaft in diesem Punkt genauer hinschaut als in der Vergangenheit.

Vorher noch könnte sie aber zu einem Stolperstein für die Regierung von Benjamin Netanyahu werden. Um die peinliche Brüskierung des US-Vizepräsidenten auszubügeln, hat Netanyahu dem Vernehmen nach ein "knallhartes Gespräch" mit Innenminister Eli Yishai von der ultraorthodoxen Shas-Partei geführt. Gespräche mit der Arbeitspartei stehen ihm noch bevor, und deren Vertreter haben schon durchblicken lassen, dass sie aus dem Kabinett ausscheiden könnten.

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