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Die Jihad-Müdigkeit der USA

Von WZ-Korrespondent Ramon Schack

Politik

"Ich kann Ihnen versichern, dass die CIA keinen einzigen Mitarbeiter in Syrien hat."


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Rebellen der "Free Syrian Army" nehmen am Ostersonntag Kurs auf regierungstreue Hochburgen.
© reu

"Wiener Zeitung":Herr Baer, die syrische Opposition hat behauptet, das Regime setze Giftgas ein. Das hat sich bisher nicht bestätigen lassen. Was sagen Sie als ehemaliger Geheimdienst-Agent dazu? Wie kann man das verifizieren? Robert Baer: Falls noch irgendwelche Zweifel bestanden haben sollten bezüglich der Unübersichtlichkeit im syrischen Bürgerkrieg, dann dürften diese durch die Giftgas-Vorwürfe restlos beseitigt worden sein. Denn niemand kann feststellen, ob die Regierungstruppen oder die Rebellen dafür verantwortlich sind, noch ob dabei überhaupt Chemiewaffen zum Einsatz kamen.

Was lässt Sie daran zweifeln?

Es ist bekannt, dass das syrische Militär über Sarin und VX verfügt. Aber, wenn einer der beiden Kampfstoffe dort zum Einsatz gekommen wären, hätte es tausende von Opfern gegeben. Andererseits halten Experten es nicht für ausgeschlossen, dass dort Tränengase, oder zur Krawallbekämpfung eingesetzte Stoffe, verwendet wurden. Aber, wer kann das schon genau feststellen, wo doch keine eindeutigen Beweise aus Syrien zu uns gelangen.

Ihre Kontakte in Syrien konnten auch keine weiteren Informationen liefern?

Ich habe einen syrischen Rebellen zu diesem Vorfall befragt. Er sagte, dass seine Gruppierung nicht einmal wüsste, wie man diese Kampfstoffe einsetzt. Das müsse aber nicht für die anderen zahlreichen Gruppen gelten.

Sie erwähnten die Schwierigkeiten, an Beweise zu gelangen, was wirklich im syrischen Bürgerkrieg geschieht. Woran liegt das, immerhin leben wir im Zeitalter der Hightech-Kommunikations-Instrumente?

Was die Medien angeht, so liegt es daran, dass nur sehr wenige seriöse Nachrichten aus Syrien zu uns gelangen, da westliche Medien kaum Vertreter im Kampfgebiet vor Ort haben. Katars TV-Sender Al-Jazeera ist zwar an der Front präsent, aber die Regierung Katars versucht ja nicht einmal die Tatsache zu verschleiern, dass sie auf der Seite der Assad-Gegner steht. Die westliche Berichterstattung ist im besten Fall unregelmäßig und vereinzelt und hat deshalb gar nicht das Potenzial, um über mögliche Gasangriffe zu berichten.

Und wie schaut es mit den westlichen Nachrichtendiensten aus, zum Beispiel der CIA, für die Sie ja jahrelang im Nahen Osten operativ tätig waren?

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Fast genauso. Die CIA-Arbeit wird heute von bürokratischer Tätigkeit dominiert, von moderner Technologie, der Überwachung sozialer Netzwerke, der Steuerung von Drohnen, et cetera. Das alles spielt sich in den Hauptquartieren ab, wo kaum jemand die Sprachen der betreffenden Länder beherrscht oder ein Gefühl für die Nationen hat, die die Interessen der USA tangieren. Ein CIA-Mitarbeiter in Washington beklagte sich, dass die Abhängigkeit von Technologie zu groß sei. Moderne Technologie mag bei der Steuerung von Drohnen unerlässlich sein. In einem Land wie Syrien allerdings, wo der Internetzugang wie auch der Mobilfunkverkehr eingeschränkt ist, ist diese so gut wie nutzlos.

Sind denn heute keine CIA-Agenten mehr vor Ort in Syrien?

Ich kann Ihnen versichern, dass die CIA keinen einzigen Mitarbeiter in Syrien hat, schon gar nicht in der Nähe der Front, wie zum Beispiel im Umfeld der umkämpften Stadt Aleppo. Stattdessen wartet man auf die Flüchtlinge. Wenn diese es bis nach Jordanien oder in die Türkei geschafft haben, befragt man sie, wobei solche Informationen meistens nicht viel Wert sind. Traumatisierte Menschen behaupten alles, um in Sicherheit zu gelangen oder ihre Angehörigen zu schützen. Das Gleiche gilt für die Kämpfer der sogenannten Freien Syrischen Armee, die alles behaupten würden, damit der Westen eingreift, um ihren Feind Assad zu beseitigen.

Stellen wir uns vor, Sie wären noch als CIA-Agent in Syrien im Einsatz. Wie wären Sie vorgegangen, um zu überprüfen, ob am 19.März wirklich Giftgas zum Einsatz kam?

Man hätte nur den Luftfilter eines Automobils untersuchen müssen, das in der Nähe des angeblichen Tatortes umhergefahren wäre. So einfach es klingen mag, dadurch lassen sich eindeutige Beweise liefern, ob Giftgas eingesetzt wurde oder auch nicht. Aber selbst das erscheint heute wohl zu schwierig.

Weshalb steht Syrien nicht im Fokus der US-Nachrichtendienste? Es handelt sich doch immerhin um ein Land von erheblicher strategischer Bedeutung?

Das liegt eindeutig daran, dass in den vergangenen zwölf Jahren der Schwerpunkt der amerikanischen Nachrichtentätigkeit auf Afghanistan und den Irak gelegt wurde. Wir haben in Washington jetzt unzählige Experten, die uns mehr über den Irak und Afghanistan berichten können, als wir wissen möchten, aber nichts zu Syrien.

Ist es nicht ein strategischer Fehler des Westens, unter der Führung der USA, die syrischen Rebellen zu unterstützen, nur um den iranischen Einfluss dort zu zerstören?

Absolut, das ist ein Fehler. In Washington leidet man aber einer Budget-Panik und an einer starken Jihad-Müdigkeit. Außerdem ist Präsident Obama bewusst geworden, wie wenig er tun kann angesichts der Probleme im Nahen Osten. Die USA zögern noch bei der massiven Aufrüstung der Opposition, weil man befürchtet, diese Waffen könnten nach dem Sturz Assads bei Massakern an Alawiten eingesetzt werden - oder sogar langfristig gegen Israel. Experten verweisen darauf, dass die Aufrüstung der libyschen Rebellen den ganzen Maghreb destabilisiert hat, der nun in Waffen ertrinkt.

Halten Sie die westliche Unterstützung für Saudi-Arabien langfristig nicht für gefährlicher als eine Verständigung mit dem Iran?

Natürlich. Saudi-Arabien und Katar bewaffnen ja schon salafistische Gruppen in Syrien, die teilweise die Ideologie von Al-Kaida vertreten. Dadurch entsteht die Gefahr, dass Syrien in einen salafistischen Staat verwandelt wird, von dem sich möglicherweise alawitische und christliche besiedelte Gebiete abspalten werden, was natürlich nicht im Interesse des Westens sein kann. Immerhin kam es den letzten 40 Jahren unter Assad zu keiner direkten Konfrontation mit Israel.

Haben die USA den sogenannten "War against Terror" verloren und damit auch ihre Position im Nahen und Mittleren Osten?

So etwas wie einen "War against Terror" hat es nie gegeben. Es ging darum, nach 9/11 Vergeltung zu üben sowie eine "Legt euch nicht mit uns an"-Botschaft zu senden. Hat sich die Lage dadurch verschlechtert oder verbessert? Dieses Urteil wird die Geschichte einmal fällen.

Robert Baer
Der ehemalige CIA-Agent hat sein Wissen in Bestsellern wie "See No Evil" (über CIA-Aktivitäten im Mittleren Osten) verarbeitet. Sein Buch "Sleeping with the Devil" (über die Beziehungen der USA zu Saudi-Arabien) war die Vorlage für den Hollywood-Film "Syriana". Die Person des Filmcharakters Bob Barnes - gespielt von George Clooney - wurde Robert Baer nachempfunden.