Trotz Arbeitslosigkeit: Jugendforscher glaubt nicht an verlorene Generation.
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Wien. "Ich würde mittlerweile fast alles tun!" Juan ist verzweifelt, er ist seit vier Jahren arbeitslos. Mit 16 Jahren brach der Spanier die Schule ab, aus "persönlichen Gründen". Er begann, als Hilfsarbeiter am Bau zu arbeiten. Es war die Zeit des Immobilienbooms in Spanien. "Ich habe hart gearbeitet und gutes Geld verdient." 2008 traf die Wirtschaftskrise die spanische Immobilienbranche. Juan verlor seinen Arbeitsplatz. Seitdem ist der 30-Jährige auf Jobsuche, lebt von der Unterstützung seiner Eltern. "Ich habe keinen Hochschulabschluss, also nichts zu bieten - außer der Bereitschaft, hart zu arbeiten."
Die Jugendarbeitslosigkeit steigt weltweit, besonders dramatisch ist die Lage in EU-Ländern wie Spanien und Griechenland: Dort findet jeder zweite junge Mensch keinen Job. Von einer europäischen "Lost Generation", einer verlorenen Generation, will Jugendforscher Philipp Ikrath aber nicht sprechen. "Die Jugend innerhalb der EU ist keine homogene Gruppe. Junge Menschen in Österreich finden auf dem Arbeitsmarkt eine ganz andere Situation vor als etwa griechische Jugendliche." Österreich hat mit 9,7 Prozent die drittniedrigste Jugendarbeitslosenquote der EU, am besten steht Deutschland mit 8 Prozent da. Mitschuld an der hohen Jugendarbeitslosigkeit ist laut Ikrath auch die zunehmende Fokussierung auf Elitenförderung. "Politiker versprechen mehr Geld für Universitäten, kaum jemand thematisiert die Berufsschulen. Gerade dort finden sich viele sozial benachteiligte Jugendliche."
Keine Rebellion
Dass immer mehr Jugendliche in den krisengebeutelten EU-Staaten auf die Straße gehen und sich gegen die harten Sparmaßnahmen ihrer Regierungen auflehnen, sieht Ikrath nicht als idealistischen Protest. "Das Bild der rebellischen Jugend, das viele haben, gibt es nicht mehr. Viele Jungen haben sich jahrelang dem System untergeordnet. Der Staat gab ihnen das Versprechen, dass sie später einmal einen Job bekommen, Geld verdienen." Diese Versprechen können nun nicht eingehalten werden, "die Jugendlichen fühlen sich betrogen vom System. Sie haben das Gefühl, dass die Energie, die sie in ihre Ausbildung gesteckt haben, auf einmal verpufft ist."
Ähnlich sieht das auch der 24-jährige Jaime. Der Portugiese ist Ingenieur. "Nach dem Bachelortitel habe ich aufgehört zu studieren, ich dachte, ich brauche keinen Master, um einen Job zu finden." Seit zwei Jahren ist Jaime arbeitslos, zwischenzeitlich arbeitete er halbtags als Büroassistent. "Mit meinem Studium hatte das nichts zu tun. Ich habe 350 Euro im Monat verdient. Das reicht einfach nicht zum Überleben."