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Selbst der stolzeste Stützenhofener hätte sich wohl nicht gedacht, dass sein verschlafenes Weinviertler Örtchen noch einmal zum medialen Hotspot in Österreich wird. Denn die versammelte Medienmeute scheint sich um News in der Affäre um den dortigen Pfarrer, der einen Homosexuellen als Pfarrgemeinderat verhindern wollte, geradezu zu verzehren. Täglich brechen neue Aspekte auf, die die Story nur noch saftiger machen: aufgezeichnete Geheimgespräche, ehemalige angebliche oder auch tatsächliche Geliebte, aufrechte oder doch gefallene moralische Werte - und das alles in einem Milieu, das aufgrund der erschütternden Nachrichten der vergangenen Jahre vielen mittlerweile als fragwürdig gilt.
Anders gesagt: Warum fahren Medien, die normalerweise über einen Weinviertler Pfarrer nie berichten würden, so auf diese Geschichte ab? Vermutlich genau deshalb, weil bei Menschen, die von sich selbst behaupten, besonders hohen moralischen Ansprüchen zu genügen, die Fallhöhe besonders spektakulär ist. Man kann in dieser Causa - je nach Sichtweise - die eigenen Vorurteile bestätigt und die der Gegner widerlegt sehen. Jene, denen die homophobe Ausgrenzung besonders gegen den Strich geht, sehen sich genauso provoziert wie jene, die im Nachgeben der Geistlichkeit den Verfall der kirchlichen Werte sehen.
Und alle erwarten sie von den Medien frisches Material für oder gegen die Kirche, je nach Gusto. Das ist wie bei einem Boxkampf: Egal, zu welcher Seite man hält, es johlt die ganze Halle. Dass dabei alle Beteiligten Wunden abbekommen, wird oft vergessen.