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Die Karotte vor der Nase

Von Reinhard Göweil

Politik

Hypo-Ausschuss könnte im Herbst starten.


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Wien. Die mehr als 125.000 Unterzeichner der Hypo-Petition zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses haben ihre Spuren auch bei den Regierungsparteien hinterlassen. Die beiden Klubobleute im Parlament, Andreas Schieder (SPÖ) und Reinhold Lopatka (ÖVP), haben am Montag die Oppositionsparteien brieflich eingeladen, schon am 24. April inhaltlich über die geplanten Reformen im Demokratiepaket zu verhandeln. "Somit könnten bei einer allfälligen Runde am 24. April 2014 erste Überlegungen diskutiert werden", heißt es im Schreiben. "Eine Einigung bis Sommer wäre möglich", sagt Schieder dazu im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Wesentlicher Teil dieses Pakets ist die Neuorganisation der Untersuchungsausschüsse. Wenn das gelingt, könnte der von den vier Oppositionsparteien so vehement geforderte Hypo-Ausschuss im Herbst starten.

Das klingt schon anders als die bisherige Ablehnung eines solchen U-Ausschusses, die allerdings eher aus den Parteizentralen kam. Auch unter den Abgeordneten von SPÖ und ÖVP gibt es viele, die einen solchen U-Ausschuss befürworten. Die Regierung hat aber mittlerweile eine Untersuchungskommission unter Führung der früheren OGH-Präsidentin Irmgard Griss ins Leben gerufen und hielt einen U-Ausschuss bisher für falsch.

"Wenn wir uns im Parlament einigen können und der Griss-Bericht bis Herbst vorliegt, wäre das eine sehr gute Grundlage für den möglichen U-Ausschuss", hält Schieder nun den vier Oppositionsparteien die Karotte vor die Nase. Bis 1. September muss zudem die Bad Bank für die Hypo Alpe Adria aktiv sein, um die Bank rückwirkend zum 1. Jänner einbringen zu können. Auch dies würde Druck wegnehmen.

Ärger auch in SPÖ, ÖVP

Noch vorigen Freitag wurde ein U-Ausschuss zur Hypo abgelehnt. Doch der politische Druck auf die Abgeordneten steigt im Hypo-Skandal beständig an. Beide Klubobleute haben alle Hände voll zu tun, aufgebrachte Mandatare zu besänftigen, die ihrerseits mit dem Ärger der Bürger konfrontiert sind. Da sich die vier Oppositionsparteien (FPÖ, Grüne, Neos, Team Stronach) auf ein "Hypo-Bündnis" verständigt haben, wurde auch der mediale Druck nicht geringer.

Eigentlich war ja geplant, eine "Enquete-Kommission" aller Parlamentsparteien einzurichten, die das "Demokratie-Paket" bis weit ins Jahr 2015 verhandeln soll. Darin eingebettet auch die Frage, wie es mit Untersuchungsausschüssen weitergehen soll. Nun soll wenigstens diese Frage ausgeklammert und rasch erledigt werden. Die Opposition ist vom plötzlichen Vorstoß überrascht und wittert eine neue Verzögerungstaktik der Regierungsparteien. Schieder schließt aus, dass es solche Überlegungen gibt.

Eine Einigung bei Untersuchungsausschüssen wäre aber leicht möglich, da es bereits seit 2009 eine grundsätzliche Übereinkunft dazu im Nationalrat gibt. Die wurde aber nie gesetzlich umgesetzt, was das Misstrauen der oppositionellen Klubchefs nährt.

Es geht dabei um eine Angleichung an "deutsche Verhältnisse". In der Vergangenheit wurden in Wien immer wieder vertrauliche Papiere aus U-Ausschüssen an Medien weitergeleitet. Das führte - so die Ansicht der Regierungsparteien - zu falscher Kriminalisierung und zu Vorverurteilungen. In Deutschland gibt es ein striktes Weitervergabe-Verbot von Unterlagen im U-Ausschuss und für die Medien bei Zuwiderhandeln ein Verwertungsverbot.

Vorsitz ist kein Dogma

Gleichzeitig ist es in Deutschland leichter möglich, Zeugenanhörungen in parlamentarischen Ausschüssen nicht-öffentlich abzuhalten. Das Verwertungsverbot könnte im Rahmen der Gesetzwerdung zur Auflösung des Amtsgeheimnisses abgewickelt werden. Der Gesetzesentwurf gilt als umstritten und wird sicher abgeändert. Den Medien würden dann nicht nur Rechte zugestanden, sondern auch Pflichten auferlegt. "Dadurch wird dem Ganzen der Tribunal-Charakter genommen, es geht ja um die Beantwortung einer bestimmten politischen Frage", so Schieder.

Im Fall Hypo wäre dies die Frage, wer die Verantwortung dafür trägt, dass dem Steuerzahler jetzt ein Milliarden-Desaster ins Haus steht und womöglich Zukunftsprojekte nicht mehr zu finanzieren sind. Für die Regierungsparteien ist die Frage beantwortet: Jörg Haider und die Blauen haben den Schaden verursacht. Dem wird auch kaum widersprochen, allerdings bezweifelt die Opposition, ob die Verstaatlichung der Bank im Dezember 2009 tatsächlich nötig war. Und sie will wissen, warum es bis März 2014 dauerte, die Bad Bank einzurichten.

Ob dieser U-Ausschuss von einem unabhängigen Richter (wie in der Landesverfassung für Wien fixiert) oder von einem nicht stimm- und frageberechtigten Parlamentarier geleitet wird, oder ob der bereits vorgesehene Verfahrensanwalt aufgewertet wird, ist SPÖ und ÖVP eher egal, wie Recherchen der "Wiener Zeitung" ergaben. Dieser Verfahrensanwalt macht die Abgeordneten aufmerksam, wenn sie keine dem Fall gemäßen Fragen stellen oder bloß politische Statements protokollieren wollen. Diese Vorgangsweise ähnelt durchaus einem normalen Gerichtsverfahren. Die Dauer des Ausschusses soll auf ein Jahr limitiert werden, am Ende gibt es einen Bericht, der von allen Parteien getragen wird. "Mit bloßen politischen Behauptungen lässt sich Verantwortung nicht festschreiben", meint Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner.

Am 24. April wollen die Klubobleute mit Parlamentspräsidentin Barbara Prammer zusammenkommen und Inhaltliches besprechen. Eine Einigung bis Sommer hält Prammer für möglich.

Demokratie-Paket

Daneben soll es aber auch um jenes Paket gehen, das Andreas Schieder und Reinhold Lopatka im März vorgestellt haben, unter dem Schlagwort "Stärkung der Demokratie". Da geht es um die Volksabstimmungen, deren Verbindlichkeit auch im Regierungsübereinkommen steht, und um die Stärkung des Persönlichkeitswahlrechts. Eine Einigung darauf bis Sommer scheint aber unwahrscheinlich. Im Regierungsübereinkommen steht übrigens auch eine Föderalismusreform, die vor allem die Neos einfordern. Aber das ist Zukunftsmusik. Und damit ein Fall für die von SPÖ und ÖVP bereits geplante Kommission, die Vorschläge dazu sammeln soll. Vorerst geht es aber um die Reform der U-Ausschüsse, die den Weg zum Hypo-Ausschuss freimachen kann.

Polit-Beobachter konstatieren, dass die Parlamentsklubs der Regierungsparteien zunehmend bemüht sind, sich vom Diktat der ihrer jeweiligen Partei angehörenden Minister zu lösen. Die Hypo, mit einem geschätzten Verlust von zehn Milliarden Euro, ist nicht nur den Steuerzahlern, sondern auch den Mandataren schwer in die Glieder gefahren. Dass Kanzler und Vizekanzler nun ihren Schwenk in Richtung Ausschuss-Reform ausgerechnet in der Gratiszeitung "Österreich" bekanntgaben, ohne vorher jemanden darüber zu informieren, habe das Verhältnis zwischen Parlament und Regierung nicht verbessert, erzählen Abgeordnete beider Parteien. Und wenn die Opposition jetzt nicht mitspiele, dann sei man wenigstens nicht mehr alleine schuld.

Reaktionen

"Wir sind gesprächsbereit", sagt der Grüne Dieter Brosz zum Brief der Klubchefs von SPÖ und ÖVP. Er sehe ihn "distanziert interessiert", will aber noch nicht so recht an die hehre Absicht der Regierungsparteien glauben. "Ob das Angebot ernst ist oder dahinter taktische Maßnahmen stehen, wird sich spätestens nach dem ersten Gesprächstermin herausstellen", meint Brosz und stellt klar, dass die Grünen natürlich nicht dafür zur Verfügung stünden, eine neue Verfahrensordnung für einen Mehrheits-U-Ausschuss zu verhandeln. "Es muss klar sein, dass das Minderheitsrecht die Basis ist."

Für den Freiheitlichen Herbert Kickl ist "das ein unverbindliches Schreiben ohne Inhalte". Er sieht darin "eine durchsichtige neue Strategie der Regierungsparteien, Zeit zu gewinnen". Die Position der FPÖ für die Reform eines Untersuchungsausschusses sei bekannt, "von der Regierung habe ich noch gar nichts gehört".

Gefragt, ob er glaube, dass die Klubchefs von SPÖ und ÖVP, Schieder und Lopatka, die Regierung unter sanften Druck setzen wollten, sagte Kickl: "Dann hätte man irgendwas Konkretes und einen ambitionierten Zeitplan in diesen Brief hineinschreiben müssen."

Neos-Chef Matthias Strolz findet es "gut, dass Bewegung reinkommt, aber das Thema U-Ausschuss muss man aus der Enquete-Debatte rausnehmen. Denn diese ist ein mittelfristiges Projekt, wo es auch um direktdemokratische Instrumente und eine Wahlrechtsreform geht. Das geht nicht vor Ende des Jahres." Für eine Reform des U-Ausschusses sollten alle Parteien am 24. April ihre Karten auf den Tisch legen und dann bis Sommer ein Gesetz beschließen. Ein formlose Austausch wäre inakzeptabel und reine Verzögerungstaktik. Mit einem Hypo-U-Ausschuss-Start im Herbst hätte Strolz kein Problem.