Speditionen als neues Jagdziel der Wettbewerbshüter. | Brüssel verhängt horrende Geldbußen. | EU bestraft auch Österreichs Firmen. | Das Böse ist immer und überall. Gemäß dieser Liedzeile der Gruppe "Erste Allgemeine Verunsicherung" scheinen Generaldirektor Theodor Thanner und seine Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) rastlos auf der Suche nach allem, was nach Kartellen, Monopolen oder Preisabsprachen riecht. Heuer wurden etwa vier packelnde Unternehmen, die mit dem Vertrieb von Druckchemikalien zu tun haben, vom Kartellgericht mit einer Geldbuße in Höhe von 1,5 Millionen Euro be straft.
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Für weitaus mehr Aufregung sorgte Thanner, als er mehr als 40 Speditionen ins Visier nahm: Diese sollen laut einem Kronzeugen im Zeitraum 1994 bis 2007 unter anderem den gesamten Preisbildungsprozess für den österreichweiten Sammelladungsverkehr - also den Transport von Stückgut - in unzulässiger Weise reguliert haben. In einem eigenen Gremium, der sogenannten Speditions-Sammelladungs-Konferenz, sei angeblich auch besprochen worden, wer welche Kunden erhält. Obendrein hätten die Logistikfirmen seit 1999 mit der ÖBB-Tochter Rail Cargo Austria die Tarife ausgepackelt.
Die umfangreichen Beweismittel darüber wurden im vergangenen Februar dem Kartellgericht vorgelegt. Seither ist in der Branche Feuer am Dach. Keiner der Betroffenen möchte allerdings zur unangenehmen Causa, die sie noch einige Jahre beschäftigen dürfte, einen Kommentar abgeben. Stefan Keznickl, Sprecher der Bundeswettbewerbsbehörde: "Wir hoffen jedenfalls auf eine rasche Entscheidung." Der bislang spektakulärste Coup gelang der BWB vor fast drei Jahren, als sie das sogenannte "Aufzugs-Kartell" hochgehen ließ. Damals wurden fünf Firmen zu einer Geldbuße von 75,4 Millionen Euro verdonnert, weil sie "mehrere Jahre geheime Absprachen über die Aufteilung von Projekten, über Preise sowie über sonstige sensible Marktinformationen getroffen haben". Am härtesten traf es die Firmen Schindler und Kone, die 25 beziehungsweise 22,5 Millionen Euro Strafe zahlen mussten. Thanner, der vor einigen Jahren den Top-Juristen Walter Barfuß als oberster Kartellwächter abgelöst hatte, war damit ein guter Start gelungen.
Sogar Bestatter undRinder werden geprüft
Die BWB, Mitte 2002 vom Wirtschaftsministerium eingerichtet - im Justizministerium indes sitzt der Bundeskartellanwalt Alfred Mair -, hat im Wesentlichen zwei Aufgaben: Zum einen muss sie ihren Sanktus zu geplanten Firmenzusammenschlüssen geben: Im Vorjahr etwa hat sie 212 derartige Fälle, zumeist innerhalb von vier Wochen, geprüft. Zum andern soll sie auftragsgemäß einen funktionierenden Wettbewerb in Österreich sicherstellen. Sie ist also für die Einhaltung der nationalen sowie der Europäischen Wettbewerbsregeln zuständig.
In der Praxis muss die Behörde möglichst viele einschlägige Machenschaften aufdecken und - ähnlich der Staatsanwaltschaft - die jeweiligen schwarzen Schafe vors Kartellgericht zerren, das letztlich in der Causa entscheidet. Im Vorjahr war sie beispielsweise in 13 Fällen aktiv. "Verstöße gegen das Kartellgesetz", freut sich Keznickl, "sind jedenfalls keine Kavaliersdelikte mehr." Als Ermittlungsstelle, die laufend etwa Hausdurchsuchungen bei verdächtigen Betrieben durchführt, kooperiert die BWB nicht nur eng mit der EU-Kommission, die derartige Vergehen auf internationaler Ebene verfolgt, sondern mit allen anderen vergleichbaren internationalen Behörden. Sie beschäftigt rund 30 Mitarbeiter, davon 21 Sachbearbeiter, kostet jährlich rund zwei Millionen Euro, und sie erlöst aus den zu entrichtenden Anmeldegebühren für Zusammenschlüsse mehr als 350.000 Euro. Diese kommen ihr allerdings eben so wenig zugute wie die Geldbußen, die ihre Opfer letztlich beim Kartellgericht ausfassen.
Fahrschulen im Visier der Kartellwächter
Das Betätigungsfeld ist riesig: Die Kartellhüter untersuchten zum Beispiel die Preispolitik von fünf Grazer Fahrschulen, die eine Geldstrafe von 75.000 Euro aufgebrummt bekamen, gehen in regelmäßigen Abständen dem Lebensmittelhandel auf die Nerven und haben sogar schon im Bestattergewerbe recherchiert. Sie verhalfen der Telekom Austria bereits zweimal zu Millionen-Strafen, klopften dem marktbeherrschenden Filmverleih Constantin auf die Finger und ließen die Europay Austria auffliegen, sodass diese sieben Millionen an Buße zu blechen hatte (siehe Tabelle links unten).
Die Bundeswettbewerbsbehörde, die bei ihren beiden Lieblingsthemen - Benzin- und Strompreis - noch nicht wirklich fündig wurde, befasste sich sogar schon mit dem Rinderbesamungswesen. 2007 leitete sie eine diesbezügliche Untersuchung ein, weil in diesem Metier angeblich EU-rechtswidrige Verhältnisse herrschten. Dabei ging es um den fehlenden Marktzutritt für nicht in Österreich niedergelassene Unternehmen sowie um vermeintliche Verstöße gegen die Warenverkehrs-, Niederlassung- und Dienstleistungsfreiheit. Mittlerweile ist bei den Besamungsstationen zur allgemeinen Zufriedenheit wieder alles paletti.
Auch wenn die in Österreich verhängten Geldbußen laut Keznickl "ganz schön hoch sind", wirken sie im internationalen Vergleich geradezu wie Peanuts: Die EU-Kommission, die in den sechs vergangenen Jahren 1237 Antitrust-Fällen nachging, hat beispielsweise im Vorjahr von 43 europäischen Kartell-Sündern nicht weniger als 1,6 Milliarden Euro kassiert. Die höchste Strafe unter den europäischen Multis fasste bisher der französische Konzern Saint Gobain aus, der 2008 zur Zahlung von 896 Millionen Euro verdonnert wurde (siehe Tabelle), weil er beim sogenannten "Autoglas-Kartell" die zentrale Rolle gespielt hatte.
Seit EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia in Brüssel oberster Kartellwächter ist - der Spanier übernahm im Februar den Job -, weht dort ein besonders rauer Wind: Verbotene Preisabsprachen kamen im Mai beispielsweise neun Chiphersteller, die vom US-Rivalen Micron vernadert wurden, teuer zu stehen. Die Kommission hat die Kartell-Runde, darunter die deutsche Infineon sowie die japanischen Konzerne Hitachi und Toshiba, mit 331 Millionen Euro bestraft.
Ein weiteres Verfahren wurde neun Chemiefirmen, die Phosphorverbindungen herstellen, die hauptsächlich für Tierfutter verwendet werden, zum Verhängnis. Das sogenannte "Tierfutter-Kartell" - etwa die belgische Tessenderlo und die französische Timab Industries - musste insgesamt 175 Millionen blechen, weil die Unternehmen bereits seit 1969 Marktanteile, Umsatzquoten, Preise und Konditionen abgesprochen haben.
Einen schweren Gesetzesverstoß ortete die EU-Kommission auch in einem anderen Fall: 18 Jahre lang haben 17 Stahlkonzerne, darunter der Weltmarktführer ArcelorMittal und die rot-weiß-rote Voestalpine Austria Draht, "wie in einer Planwirtschaft" (Almunia) illegaler Weise Lieferquoten und Preise gemeinsam festgelegt und Kunden aufgeteilt. Das sogenannte "Spannstahl-Kartell" wurde Ende Juni mit einer saftigen Geldstrafe von 518 Millionen Euro belegt. Die Voest-Tochter, die mit 22 Millionen Bußgeld noch relativ glimpflich davonkam, fühlt sich allerdings unschuldig und will gegen das Urteil berufen.
Schlimm hat es kürzlich auch 17 Badezimmer-Ausrüster erwischt, die zwischen 1992 und 2004 die Preise für Sanitärkeramik abgesprochen und damit Handwerksbetrieben sowie Konsumenten erheblichen Schaden zugefügt haben. Die großteils namhaften Anbieter von Badewannen, Waschbecken oder Armaturen - etwa der US-Gigant Ideal Standard oder die deutschen Mitbewerber Grohe, Villeroy & Boch und Kludi - wurden, nachdem die US-Firma Masco die Affäre aufgedeckt hatte, mit 622 Millionen Euro bestraft.
Ideal Standard als Rädelsführer fasste gleich 326 Millionen Euro aus - immerhin deutlich weniger als Intel und Microsoft in anderen Verfahren wegen Ausnützung ihrer Marktmacht, die zur Verzerrung des Wettbewerbs führte, zu berappen hatten (eine Milliarde beziehungsweise 497 Millionen Euro). Intel etwa hatte unzulässige Rabatte gewährt und Computerhersteller dafür bezahlt, dass sie die Prozessoren des Rivalen AMD nicht oder nur verzögert in ihre Rechner einbauten.
Auch zwei österreichische Badezimmer-Ausstatter hat es kürzlich erwischt - obzwar die Republik mit 27 Fällen in sechs Jahren, gleichauf mit Griechenland, in der Sünden-Statistik weit hinter den Spitzenreitern Frankreich (186 Fälle) und Deutschland (127 Causen) rangiert und als relativ sauber gilt: Die Firmen Artweger in Bad Ischl und Duscholux in Hörsching mussten ihre einschlägigen Fehltritte mit 2,8 beziehungsweise fast 1,7 Millionen Euro büßen.
Auch Donau Chemie wurde abgestraft
Die Donau Chemie wiederum strauchelte im Vorjahr, als aufflog, dass es etliche Produzenten von Kalziumkarbidpulver und Kalziumkarbidgranulat in den Jahren 2004 bis 2007 mit dem Wettbewerb nicht so genau nahmen, weil sie sich europaweit Marktanteile ausgeschnapst hatten. Sie wurde daraufhin mit fünf Millionen Euro bestraft und ging in die Berufung. Die Donau Chemie fiel übrigens unlängst auch der BWB unangenehm auf. Mitte April brummte ihr das Kartellgericht eine Strafe von 675.000 Euro auf, weil sie ihre Kommunikationsfreudigkeit in Richtung Konkurrenz erneut erprobt hatte.
Donau Chemie-Chef Alain de Krassny: "Wir haben zugegeben, das gemacht zu haben. Aber sehen Sie: Vor zehn Jahren gab es noch 10 Mitbewerber, jetzt nur noch vier, wobei der slowakische durch die Strafe in Konkurs getrieben wurde. Und während die Gesamtkapazität in Europa 180.000 Tonnen beträgt, bauen die Chinesen in Qinghai ein Werk für 640.000 Tonnen. Ich versteh daher Europa nicht, dass es die eigenen Betriebe bestraft statt europäische Arbeitsplätze zu schützen."