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Die katholische Kirche im Dilemma zwischen Demokratie und Reformstau

Von Katharina Schmidt

Analysen

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Die katholische Kirche in Österreich steht so kurz vor einem Crash wie noch nie. Diesen Eindruck vermittelt zumindest die aktuelle Auseinandersetzung zwischen dem Wiener Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn und der Pfarrer-Initiative rund um Ex-Generalvikar Helmut Schüller.

Die Forderungen, die die Pfarrer in ihrem "Aufruf zum Ungehorsam" gestellt haben, sind freilich nicht neu: Die Priesterweihe für Frauen war bereits im Kirchenvolksbegehren vor mehr als 15 Jahren ein zentraler Punkt. Neu ist die Qualität der Forderungen, die weit über bloße Willenskundgebungen hinausgehen. Vielmehr beginnt jeder Satz mit "wir werden". Das klingt schon fast wie eine ultimative Drohung.

Bedrohlich klingen auch die Worte Schönborns, der die Vertreter der Pfarrer-Initiative vor die Wahl stellte, seinen Weg mitzutragen oder "eine andere Lösung" zu finden. Eine Rücktrittsaufforderung? Vielleicht. Freiwillig werde man nicht weichen, stellte daraufhin Schüller klar.

Dabei gilt Schönborn nicht unbedingt als Verhinderer - er hat schon mehrfach Verständnis für kritische Stimmen geäußert und selbst erkannt, dass es zum Beispiel ohne eine bessere Einbindung der Laien nicht gehen wird. Vergangenes Jahr hat er den Reformprozess "Apostelgeschichte 2010" eingeleitet. Dennoch ist er in einem Dilemma: Denn selbst wenn er wollte, könnte er die meisten der Forderungen der Pfarrer-Initiative gar nicht umsetzen. Schönborn ist abhängig von den Entscheidungen, die in Rom getroffen werden. Und dort hält man wenig von echten Reformen.

Natürlich: Ein 2000 Jahre altes System wie die katholische Kirche, die auf dem ganzen Erdball ihre Lehre verbreitet, kann wohl kaum auf den Zuruf einer österreichischen Pfarrer-Initiative hin ihre Grundsätze über den Haufen werfen. Denn mit einer basisdemokratischen Organisation hätte sie wohl nicht so lange und in dieser relativen Einheitlichkeit überlebt.

Andererseits ist aber unbestritten, dass sich die katholische Kirche schon länger in einer tiefen Krise befindet. Ihre Funktion als moralische Instanz wird nicht erst seit den Missbrauchsskandalen in Zweifel gezogen. Mit der wachsenden Zahl der Austritte sieht sie mehr und mehr ihren gesellschaftlichen Einfluss schwinden. Und sollte es wirklich zu einem Crash kommen, wäre dies nur ein weiterer Ausdruck des seit Jahren schwelenden Streits um eine Liberalisierung. Irgendwann wird man hier - langsam aber sicher - gegensteuern müssen, sofern man den Charakter einer Volkskirche aufrechterhalten will.