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Die Kaukasus-Krise ist für die EU eine Niederlage auf allen Linien

Von Walter Hämmerle

Politik

Gute Miene zum bösen Spiel. Viel mehr, so sind sich bei den politischen Gesprächen in Alpbach Beobachter einig, kann der Westen nicht tun, um Russland für seinen Einmarsch auf georgisches Kernland zu bestrafen. Deutlich wird dies wohl spätestens am eilig einberufenen EU-Gipfel am 1. September werden, wenn außer harten Worten kaum konkrete Sanktionen zu erwarten sind.


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Den Großteil der Last, die aus der jüngsten Kaukasus-Krise resultiert, muss der Westen selbst schultern. Bei der Energieversorgung sitzt Russland etwa eindeutig am längeren Hebel. So besteht unter Experten Einigkeit darüber, dass das Gaspipeline-Projekt Nabucco unter Federführung der OMV praktisch gestorben ist. Mit der erfolgreichen Zurückweisung der Nato-Erweiterung bis nach Georgien und dem absehbaren Aufbau zweier starker russischer Militärstützpunkte in Abchasien und Südossetien hat Moskau seinen Einfluss auf diese für den Energietransit so zentrale Region deutlich gemacht. Die zentralasiatischen Staaten, die ja die Pipeline mit Gas füllen sollten, werden sich dem nicht entziehen können. Und damit löst sich auch die Geschäftsidee hinter Nabucco in Luft auf.

Noch viel schwerer als dieser ökonomische Rückschlag für Europa wiegt jedoch das politische Desaster der Nato im Fall Georgiens. Russland ist es mit seiner Militärintervention in ein Land, dem die Mitgliedschaft im Verteidigungsbündnis fest versprochen war, gelungen, die Glaubwürdigkeit der Nato in ihren Grundfesten zu erschüttern. Wer soll jetzt noch dem Beistandsversprechen im Fall eines Angriffs Glauben schenken? Diese Glaubwürdigkeitskrise hat sich jedoch bereits seit längerem abgezeichnet, warum sonst sollte etwa Polen auf die Unterzeichnung eines bilateralen Beistandspakts mit den USA bei den Verhandlungen über die Stationierung der Raketenabwehr drängen. Diesem Weg werden auch andere Länder folgen, die sich bedroht fühlen.

Im Schatten Putins

Und schließlich hat der Krieg in Georgien auch alle Zweifel an den innerrussischen Machtverhältnissen zerstreut. Wenn Präsident Dmitri Medwedew je die Chance gehabt haben sollte, aus dem Schatten von Wladimir Putin zu treten, ist diese jetzt endgültig vorbei. Dies war nach Expertenmeinung nicht der Krieg Medwedews. Putin, der ehemalige Präsident und jetzige Premier, ist es, der gemeinsam mit seinem Netzwerk in Armee und Geheimdienst die Hebel der Macht weiter fest in Händen hält.

Was also soll der Westen tun? Vielleicht empfiehlt sich der alte englische Rat, nach dem Abwarten und Tee trinken schon so manches Problem aus der Welt geschafft hat. Russland hat einen großen Sieg im Ringen um Einfluss erzielt: Das ist gut für dessen Selbstwertgefühl als Nation und schlecht für den Westen. Aber wenn man nichts Wirksames tun kann, dann sollte man vielleicht auch keine sinnlosen Pseudoaktionen starten, sondern die eigene Niederlage eingestehen und das Beste aus der neuen Situation machen.

analyse@wienerzeitung.at