Am Beispiel der Volkskrankheit Krebs: Warum neue Therapien einen klugen Umbau im Gesundheitswesen notwendig machen.
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Eine der zahlreichen Ursachen für die aktuellen Probleme in den heimischen Spitälern ist eine grundsätzlich positive Entwicklung: der medizinisch-technische Fortschritt. Er führt zu präziseren Diagnosen, ermöglicht verträglichere und wirksamere Therapien, die bessere Prognosen nach sich ziehen. Doch die Behandlungen sind oft teurer und aufwendiger.
Ein Beispiel, an dem sich diese Entwicklung anschaulich zeigt, ist der onkologische Bereich. Rund ein Fünftel aller Todesfälle in Österreich haben Krebs als Ursache. Dieser Anteil ist seit vielen Jahren relativ konstant. Die Zahl der Neuerkrankungen steigt jedoch signifikant, bei Männern etwa von rund 15.000 pro Jahr Anfang der Neunziger auf zuletzt mehr als 23.000 Fälle (Frauen rund 20.000). Das ist vor allem auf die Alterung der Gesellschaft zurückzuführen.
Allein aus dieser Entwicklung ergibt sich, dass in den Spitäler mehr Behandlungen durchgeführt werden müssen und die Kosten steigen. Insgesamt haben sich die Ausgaben im Gesundheitsbereich (ohne Langzeitpflege) in den vergangene 20 Jahren um 40 Prozent erhöht, während das Bruttoinlandsprodukt in diesem Zeitraum nur um etwa die Hälfte davon gewachsen ist. Die finanzielle Belastung für die öffentliche Hand ist also größer geworden.
Im onkologischen Bereich sind die Steigerungen aber weit dramatischer. Eine genaue Taxierung der Kosten ist mangelns präziser Abrechnung der Leistungen nicht möglich, das Institut für Höhere Studien (IHS) hat aber die Art der erbrachten Leistungen ausgewertet. Diese unterliegen einem spezifischen und eben leistungsorientierten Punktesystem und können daher als gute Näherung herangezogen werden.
"Wir müssen eine abgestufte Versorgung etablieren"
Dabei zeigt sich, dass 2010 die mit Krebstherapien in Verbindung stehenden Leistungen um 300 Prozent gestiegen sind. Und das ist eben nicht alleine der Alterung geschuldet. Gesundheitsökonom Thomas Czypionka berichtete bei der Präsentation der IHS-Analyse von den vielgesichtigen Aspekten des Fortschritts bei onkologischen Behandlungen.
Belastende Therapien können heute öfter bei älteren Personen eingesetzt werden, weil der allgemeine Gesundheitszustand besser ist als früher. Es gibt neue Therapien, die wirksamer sind, teilweise aber auch verträglicher. Betroffene überleben auch länger. "Krebs wird auch eine chronische Erkrankung", sagt Czypionka. Für die Spitäler bedeutet das allerdings auch: mehr und längere Behandlungen, mehr Kosten, mehr benötigte personelle Ressourcen.
Auf diese Entwicklung müsse das Gesundheitssystem reagieren, fordert Czypionka. "Wir müssen die Versorgung anpassen". Der Fortschritt ermöglicht zum Teil auch eine Verlagerung in den ambulanten Bereich, was kostendämpfend wirken würde. Die Fragmentierung der Zuständigkeiten im Gesundheitssystem, ebenso auch die Finanzierung aus verschiedenen Händen, stellt ein Hindernis für eine optimale und auch effiziente Versorgung dar, wie Czypionka erklärt.
Er spricht sich für eine stärkere Zentralisierung aus. In ganz Europa würden Krebszentren forciert, die dank Spezialisierung stets auf dem letzten Stand der Forschung sind. "Wir müssen aber auch eine abgestufte Versorgung etablieren", sagt Czypionka. Konkret hieße das: Diagnose und Therapieplan werden im Spezialzentrum erstellt, die Behandlung erfolgt auf einer anderen Stufe. Das ist aber nur möglich, wenn es zwischen Ärzten da und Spezialisten dort einen engen Austausch gibt. Dafür müssten wiederum die spezialisierten Zentren, wie jene im AKH und in Linz, entlastet werden. Dass für Fachärzte die Kassen und für die Krebszentren die Länder zuständig sind, erschwert das Zusammenspiel.