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Die Kinderkrankheiten der Med-Unis könnten allzu rasch chronisch werden

Von Stefan Melichar

Analysen

Wenn der Wissenschaftsrat dieser Tage warnend mit dem Finger auf die Medizin-Universitäten zeigt, passiert das keinen Moment zu früh. Mit Jahresbeginn 2004 wurden die Med-Unis in Wien, Graz und Innsbruck in ihre Unabhängigkeit entlassen. Die Loslösung von den Stamm-Universität brachte einen tiefgreifenden organisatorischen Wandel, die Karten wurden neu gemischt.


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Aber nicht nur, dass die Führungsstrukturen heute oft nicht mehr den althergebrachten akademischen Gepflogenheiten entsprechen, oder dass sich das - sich nicht länger zuständig fühlende - Wissenschaftsministerium jahrelang in Passivität geübt hat: Die Universitäten wurden - wie es nun scheint - ohne die nötigen Budgetmittel sich selbst überlassen. Kein Wunder also, dass der Wissenschaftsrat auf gravierende Entwicklungsprobleme hinweist.

Im konkreten Fall geht es darum, dass die Medizin-Unis finanzielle Mittel aus dem Wissenschaftsbudget des Bundes nicht in die Forschung investieren, sondern in die Krankenversorgung. Allein die Medizinische Universität Wien (MUW) muss pro Jahr 230 bis 240 Millionen Euro ins Wiener Allgemeine Krankenhaus (AKH) buttern. Damit schießt der Bund quasi verdeckt dem Wiener Gesundheitssystem Geld zu - zulasten der Universität, der Forschungsmittel fehlen. Problematisch für die weitere Entwicklung der MUW scheint, dass die Verantwortlichen selbst gar nicht vordringlich daran denken, die Forschung budgetär aufzustocken. Laut MUW-Rektorat hat die Beseitigung der Personalprobleme im Klinik-Bereich oberste Priorität. Allein um "notwendige" Arbeitszeitübertretungen zu vermeiden, bräuchte man weitere 20 Millionen Euro im Jahr.

Während MUW-Rektor Wolfgang Schütz auf positive Evaluierungsergebnisse verweist, laut denen sein Haus im Forschungsbereich im internationalen Spitzenfeld liege, gibt es Warnsignale, es nicht beim Status quo zu belassen. So äußern Professoren Bedenken gegen die Dreifachbelastung durch Forschung, Lehre und Patientenbetreuung. Die Kritik des Wissenschaftsrats an der "Feierabendforschung" entspricht - so hört man - allzu oft den Tatsachen.

Ob es hier mit einer reinen Budgetaufstockung getan wäre, ist die Frage. Zum Beispiel ist es in den USA üblich, dass sich ein Teil des Uni-Personals ausschließlich der Forschung widmet. Strukturänderungen scheinen in Österreich aber mitunter akademischen Grabenkämpfen und einer inneruniversitären Cliquen-Wirtschaft zum Opfer zu fallen. Dabei wäre es höchst an der Zeit, dass die Medizin-Unis die Kinderkrankheiten der Autonomie ablegen, bevor diese chronisch werden. Eine erste Chance dafür könnte die anstehende Novellierung des Universitätsgesetzes bieten.