Zum Hauptinhalt springen

Die Klaviatur der Seele umfasst viele Oktaven

Von Christa Karas

Wissen

+++ Der depressive Mensch im Zentrum. | +++ Fachleute zeigen neue Perspektiven. | Eine alte und kluge Ärzteregel besagt, dass man nur in den seltensten Fällen ganz sicher sein könne, was letztlich helfe - aber dass man alles versuchen müsse. Die Depression ist laut der Weltgesundheitsorganisation WHO die belastendste Krankheit, der ein Mensch ausgesetzt sein kann. Depression bedeutet den partiellen oder völligen Rückzug von der Außenwelt, eine innere Erstarrung, das ungelebte Leben wird als unendlich qualvoll empfunden - bisweilen derart, dass ihm die Betroffenen sogar den Tod vorziehen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"In Österreich sterben jährlich mehr Menschen infolge eines Suizids als im Straßenverkehr. Doch trotz der starken Beeinträchtigung der Lebensqualität sucht nur ein Bruchteil der Betroffenen einen Arzt auf und wiederum nur ein Bruchteil jener, die in der ärztlichen Praxis Hilfe suchen, wird diagnostiziert und adäquat behandelt." Univ.-Prof. Michael Lehofer, Vorstand der Abteilung für Allgemeine Psychiatrie I der Landesnervenklinik Sigmund Freud in Graz kann dies zwar nicht grundsätzlich ändern, bemüht sich aber um eine Verbesserung der therapeutischen Maßnahmen.

Gewiss, die medikamentöse Behandlung hat speziell auf diesem Gebiet enorme Fortschritte gebracht. Doch sie birgt auch das Risiko in sich, dass der Patient als Persönlichkeit nicht mehr wahr- und ernst genommen wird. Univ.-Prof. Christoph Stuppäck, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie: "Der Mensch ist mehr als seine Biologie. Patienten haben das Bedürfnis, ganzheitlich wahrgenommen zu werden. Intellekt, Persönlichkeit, Emotionen - eine moderne Behandlung seelischer Erkrankungen muss alle diese Aspekte mit einbeziehen."

Heilerfolg entscheidend

Stuppäck, auch Vorstand und ärztlicher Direktor der Christian-Doppler-Klinik Salzburg, verweist darauf, dass der Bereich der Komplementärmedizin auch hier zu einem einflussreichen Faktor avanciert ist: "Wer diese gesellschaftlichen Entwicklungen ignoriert, riskiert den Therapieerfolg und somit die Lebensqualität des Patienten." Solche Komplementärtherapien seien zwar wissenschaftlich weniger fundiert als die klassischen Therapien, bewährten sich aber in der klinischen Praxis im Zusammenspiel mit Psychopharmaka mit ausgezeichnetem Erfolg. Wichtiger, als die Frage nach der Entstehung der Erkrankung sei es heute, dem Patienten eine individuell passende Therapie zukommen zu lassen: "Der Heilerfolg ist der ausschlaggebende Faktor." Patienten kooperierten dann mit dem Arzt, statt als Therapie-Abbrecher auszusteigen, wenn sie neben den klassischen Therapieverfahren eine Hilfe vorfänden, die ihrer individuellen Lebenssituation quasi maßgeschneidert sei. "Menschen, die sich gerne über den Körper ausdrücken, werden etwa mit Tanz- oder Sporttherapie glücklich, andern hilft die Musik- oder Maltherapie bei der Bewältigung seelischer Probleme", erwähnt Stuppäck einige Möglichkeiten.

Michael Lehofer verweist nicht nur auf die Volkskrankheit Depression, von der rund 800.000 Österreicher betroffen sind, sondern auch auf die Veränderungen des Krankheitsbildes im Licht neuerer Erkenntnisse: "Ging man früher davon aus, dass es zwei Formen der Depression gibt, nämlich die neurotische und die endogene, hat sich dieses Konzept in den letzten Jahren drastisch gewandelt. Die Beschränkung auf diese beiden Formen wurden dem Facettenreichtum der Krankheit nicht gerecht."

Dadurch mussten auch die Experten erkennen, dass es mehr Wege gibt, die "aus dem Seelen-Vakuum" führen. Drei Standardverfahren haben sich herauskristallisiert: Psychopharmakotherapie, Psychotherapie und Soziotherapie. Neben diesen habe sich die komplementärmedizinische Methode als weitere Therapiesäule entwickelt.

Um Experten, Psychiatern und Therapeuten, aber auch Laien einen Überblick über das weite Feld der Komplementärmedizin zu ermöglichen, wurde das Buch "Depressionstherapien" verfasst. Es soll die weniger bekannten Bereiche der Therapierichtungen aufzeigen und den Zugang zu einer Psychiatrie erleichtern, in deren Mittelpunkt der Mensch steht, so der Wunsch der Autoren.

Christoph Stuppäck

Depressionstherapien - Pharmakotherapie. Psychotherapie. Soziotherapie. Ergänzende Therapien.

Thieme Verlag

136 Seiten, 29,95 EUR

Gut, da Fachleute über den Tellerrand blicken.