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Die Klimakrise hat die Forstwirtschaft erreicht

Von Matthias Schickhofer

Gastkommentare
Matthias Schickhofer ist Umweltschützer, Landschaftsfotograf und Buchautor (http://schickhofer-photography.com).
© privat

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Die Welt starrte entsetzt auf die Waldbrände in Amazonien. Doch auch unseren Wäldern geht es nicht wirklich gut. Klimakrise und Abholzungen nagen an unseren Baumbeständen, vor allem Fichten sterben großflächig ab. In Deutschland schwächeln sogar Laubwälder (an Trockenstandorten) nach Sommerhitze und Wassermangel. Das neue Waldsterben löst im Nachbarland heftige Kontroversen aus: Ist die Hardcore-Forstwirtschaft (Kahlschläge und nachfolgende Aufforstungen, Plantagenwirtschaft) mitverantwortlich für die Misere? Braucht es eine ökologische Richtungsänderung?

Die Diskussion ist aufgeheizt. Die Forstindustrie fordert Milliarden für die Borkenkäfer-Bekämpfung und für Aufforstungen mit trockenresistenten Baumarten. Manche wollen gar Naturwälder gezielt abholzen, weil von ihnen angeblich Schaden ausgeht. Waldökologen und NGOs sehen die Baumkrise als ökologischen Weckruf. In Österreich ist sie bisher kaum ein Thema. Doch die ökologische Waldwende darf im nächsten Regierungsübereinkommen nicht fehlen. Ohne ausreichende Waldbedeckung drohen verheerende Wasserknappheit (Wälder sind die wichtigsten Pufferspeicher), Überflutungen, Steinschlag, Muren oder Lawinen.

Im Mai 2019 stellte der UN-Weltbiodiversitätsrat fest, dass die Erhaltung intakter Ökosysteme ebenso überlebensrelevant ist wie die Milderung der Klimakrise. Wälder spielen dabei eine zentrale Rolle. Doch um Europas Naturwälder ist es nicht so wirklich gut bestellt. Nur noch 4 Prozent sind in naturnahem Zustand. Und selbst diese kümmerlichen Reste schwinden. Die meisten Natur- und Urwälder in der EU (außerhalb Skandinaviens) hat Rumänien, doch dort wurde in den vergangenen 15 Jahren fast ein Fünftel des Natur- und Urwalds liquidiert - und damit wurden wertvolle Ökosysteme auf viele Jahrhunderte ruiniert. Aus Kahlschlagflächen entweichen große Mengen CO2. 2018 stoppte der EuGH eine Abholzungsorgie im polnischen Bialowieza-Schutzgebiet.

Nun gerät ausgerechnet der Klimaschutz mit dem Waldschutz in Konflikt: Durch Biomasse-Verbrennung als Ersatz für fossile Brennstoffe steigt der Abholzungsdruck auf Naturwälder, weil nun auch "schlechtes" Holz aus alten Wäldern Geld wert ist. Viele Experten zweifeln aber stark an der Klimaneutralität. Ein aktueller Report des Verbands der Europäischen Akademien der Wissenschaften findet deutliche Worte: Verbrennung von Holzbiomasse sollte nicht als erneuerbare Energiequelle in Klimaberechnungen berücksichtigt werden, weil sie kurzfristig nicht klimaneutral ist. Es dauert zu lange, bis die CO2-Emissionen wieder durch nachwachsenden Wald reabsorbiert werden. Mehrere schwedische Professoren schreiben dazu: "Heute und kurzfristig spielt es keine Rolle, ob das CO2 aus fossilen Brennstoffen oder aus Biokraftstoffen stammt." Die Klimaauswirkung der schwedischen Holzernte eines Jahres (mit anschließendem Verbrauch) sei 13 Mal höher als die Emissionen aller Flüge und 8 Mal höher als die gesamten Emissionen des Straßenverkehrs in Schwedens.

Die Klimakrise hat die Forstwirtschaft erreicht. Allen Akteuren sollte klar sein, dass es hier nicht um Ideologie, sondern um langfristige Überlebensfragen geht.