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Die Klimaziele ernst nehmen

Von Kurt Bayer

Gastkommentare

Die Verschiebung der CO2-Abgabe um drei Monate war ein falsches Signal.


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Vom polnischen Premierminister bis zum österreichischen Wirtschaftskammer-Präsidenten und einer Reihe von Landhauptleuten rufen sie, angesichts der enorm gestiegenen Energiepreise, nach einer Verschiebung oder gar Lockerung der vereinbarten Klimaziele. In Österreich geht es dabei besonders um die nunmehr auf Oktober verschobene Einführung einer CO2-Abgabe von 30 Euro je Tonne. Das Argument: Die Preise seien ohnedies so hoch, man könne den Menschen keine weitere Erhöhung zumuten. Klingt nicht unplausibel, ist aber falsch.

Nimmt man die Klimaziele und die dazu beschlossenen Vereinbarungen ernst und befürwortet den Marktmechanismus als grundlegendes Ordnungselement unserer Wirtschaft, dann sind Preissignale der wichtigste Anreiz zum Energiesparen, zur Energieeffizienz. Die Alternative "Markteingriffe", also verordnete Preisdeckel, Sparziele, Rationierungen, werden von den herrschenden Politikern bisher weitestgehend abgelehnt.

Und: Preissignale wie die Einführung der CO2-Abgabe müssen kalkulierbar und mittelfristig festgelegt werden, damit Haushalte und Unternehmen sich darauf einstellen und entsprechend reagieren können. Schon die Verschiebung um drei Monate war in diesem Sinn ein falsches Signal, eine weitere Verschiebung würde signalisieren, dass der Klimawandel nicht so wichtig ist, dass andere Politikziele jedenfalls Vorrang haben.

"Ökobonus" führt seine Bindung an CO2-Abgabe ad absurdum

Richtig ist, dass es miteinander in Widerspruch stehende Politikziele gibt, im konkreten Fall die Kostensteigerungen bei Energie für Haushalte und Unternehmen. Aber: Bei der Einführung der CO2-Abgabe wurde ohnedies ein Kompensationsmechanismus festgelegt, der die gesamten Einnahmen aus der Steuer den Haushalten zurückgibt. Dieser "Ökobonus" wurde sogar jetzt, als Maßnahme gegen die Inflation, zweimal aufgestockt - und damit seine Bindung an die Abgabe ad absurdum geführt.

Auch das viel gepriesene Modell von Wifo-Chef Gabriel Felbermayr, bei dem ein noch zu bestimmender Grundbedarf an Energie den Haushalten verbilligt oder gratis zur Verfügung gestellt werden und nur der darüber hinausgehende "Rest" dem Weltmarktpreis unterliegen soll, nimmt den Klimawandel nicht ernst genug. Felbermayr und seine Befürworter argumentieren, dass damit der Anreizmechanismus der derzeitigen Preiserhöhungen erhalten bliebe und dem Anliegen des Sozialausgleichs gedient würde: die sprichwörtliche "eierlegende Wollmilchsau".

Ohnehin spärliche Anreize nicht noch einmal verschieben

Aber: Erstens sollen alle Haushalte, auch jene, denen die Energiepreise nicht wehtun, in den Genuss des Grundbedarfs kommen. Zweitens - viel wichtiger, wenn man mit den notwendigen Anreizwirkungen argumentiert - ist der Anreiz zum Einsparen von der Gesamtsumme der Energieausgaben abhängig - und nicht nur vom dem Marktpreis unterliegenden Teil. Also: Wenn meine Energierechnung 1.000 Euro ausmacht, versuche ich, stärker zu sparen, als wenn sie 100 Euro ausmacht (ein bestimmtes Einkommen vorausgesetzt).

Fazit: Die ohnedies spärlichen Anreize durch die niedrige CO2-Abgabe sind nicht nochmals zu verschieben, sonst verliert die Regierung jeglichen Anspruch, die Klimaziele ernst zu nehmen. Die sehr hohen Preissignale, die durch den russischen Überfall auf die Ukraine zusätzlich die Energiepreise massiv hochgetrieben haben, sind im Sinne des Anreizes zum Klimaschutz als positiver Zusatzeffekt zu sehen. Natürlich müssen arme Haushalte und Unternehmen, die an den Energiekosten zu scheitern drohen, unterstützt werden, aber keinesfalls mit direkt die Energiepreise senkenden Maßnahmen, sondern - wie es ja auch der "Klimabonus" intendiert - mit allgemeinen Hilfsmaßnahmen, die die Einsparungs- und Preissignale bereits vereinbarter Maßnahmen nicht weiter schwächen.

Preissignale nicht durch Gegenmaßnahmen verwässern

Die vielfachen Krisen - Covid, zunehmende Verarmung, klaffende Einkommens- und Vermögensverteilung, Klima, Krieg - legen den Bevölkerungen schwere Lasten auf. Die Regierungen (auf allen Ebenen: Bund, Länder, Gemeinden) sind dazu verpflichtet, die jeweils optimalen Instrumente zu deren Bekämpfung einzusetzen. Solange auf Marktsignale gesetzt wird, dürfen Preissignale nicht von Gegenmaßnahmen verwässert werden.

Die Klimakrise ist uns allen heuer persönlich erfahrbar geworden. Sie ist nicht mehr weit weg, weder geografisch noch zeitlich. Wir stecken mitten drinnen. Jenen, die es nötig haben, muss aus Solidaritätsgründen geholfen werden, aber nicht durch Reduzierung der wichtigen Preissignale. Jene Politiker, die aus welchen Gründen auch immer dies nicht verstanden haben, müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Wir brauchen gemeinsame Strategien auf allen Ebenen, um die soziale, die Umwelt-, die Gesundheits- und die Sicherheitskrise zu lösen, und keine eigenbrötlerischen, gegenläufigen Einzelaktivitäten.