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Voest-Chef Eder warnt noch einmal eindringlich vor EU-Klimazielen, 5 Hochöfen der Voest unter Top-6 in Europa.
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Wien/Brüssel. Am kommenden Donnerstag treffen sich die EU-Regierungschefs in Brüssel, um die CO2-Reduktion bis 2030 festzulegen. Mit diesen Klimazielen will die EU dann in die UNO-Verhandlungen gehen. Während sich die Staatskanzleien noch recht routiniert darauf vorbereiten, herrscht bei Industrie, Grünen und Umweltschützern Alarmstimmung.
Die Grünen befürchten, dass der Klimaschutz am Altar der Industrie geopfert wird; die Industrie fürchtet dagegen, zu stark in die Mangel genommen zu werden. Voestalpine-Chef Wolfgang Eder sagte bei der Gewinn-Messe, dass die geforderten Ziele für den heimischen Konzern "technologisch nicht möglich sind. Wenn sie so kommen, haben wir als Industrie eine begrenzte Lebensdauer in Europa."
Forschung folgt Produktion
Grund für eindringliche Warnung: Die Voestalpine ist das sauberste Stahlwerk Europas. Die drei Hochöfen in Linz und die beiden in Donawitz sind bei den Emissionen jetzt schon unter den Top-6 in Europa. Insgesamt arbeiten in Europa noch 48 Hochöfen. Eder warnt davor, sich der Illusion hinzugeben, dass Österreich oder Europa mit Forschung und Dienstleistung den Wohlstand halten könne. "Die Forschung ist Bestandteil der Produktion. Mit deren Reduzierung gehen auch Universitäten und Forschungsinstitute."

Der streitbare Voest-Chef sieht vor dem EU-Gipfel auch die Gefahr, dass Europa nur nach innen blickt. Tatsächlich fordern einige EU-Länder, dass die Klimaziele bindend vereinbart werden müssten, allerdings nur innerhalb der EU. "Ein Hochofen, der in Europa zugesperrt wird, wird in Asien neu errichtet. Mit deutlich höherem Schadstoffausstoß."
Europaweit emittiert der sogenannte Hochofen A der Voest in Linz am wenigsten Kohlendioxid. 1410 Kilo CO2 pro erzeugte Tonne Stahl, das ist Spitzenwert. Die anderen vier sind nur unwesentlich schlechter, sie blasen 1480 Kilo pro Tonne Stahl in die Luft. "In Asien stehen Anlagen, die beim Zwei- bis Dreifachen dieses Wertes liegen", sagte Eder.
Wie berichtet, will die EU die CO2-Emissionen bis 2030 um 40 Prozent reduzieren, und zwar vom Stand 1990 an gerechnet. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass es für energieintensive Branchen Ausnahmen geben wird. Der künftige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker räumt der Re-Industrialisierung Europas deutlich höheren Stellenwert ein als dem Umweltschutz.
Das bringt die Grünen in Rage, sowohl in den nationalen als auch im Europäischen Parlament. "Die Ziele sind viel zu unambitioniert, das reicht nicht", sagte etwa die grüne Umweltsprecherin Christine Brunner. Und grüne Abgeordnete im EU-Parlament fordern eine bindende Vereinbarung für Europa. Für die Industrie kommt dies gar nicht infrage, und vor dem EU-Gipfel gibt es einen solchen Vorschlag auch nur von sechs der 28 Länder.
Donawitz ohne Flüssigphase?

Am Beispiel der Voestalpine zeigt sich, wie schwierig es ist, alle über einen Leisten zu scheren. Ein 40-prozentiges Reduktionsziel ist technologisch derzeit für das Unternehmen tatsächlich nicht zu machen. 2019 steht die Entscheidung bevor, jeweils zwei Hochöfen in Linz und Donawitz neu zu errichten, da sie in den Folgejahren am Ende ihrer Lebenszeit angekommen sind. Es geht dabei um eine Investitionsentscheidung von etwa einer Milliarde Euro. Wenn die neuen CO2-Ziele wegen der bereits geleisteten Umweltinvestitionen nicht zu erreichen sind, müssen sie außerhalb Europas errichtet werden. "Das ist keine Drohung, das ergibt sich zwangsläufig", sagte Eder.
Für Donawitz würde es das Ende der Flüssigphase bedeuten, und einen erheblichen Mitarbeiterabbau. Das sind Entwicklungen, über die Politiker stolpern.
Experten gehen davon aus, dass die EU-Regierungschefs versuchen werden, sich da irgendwie durchzuschummeln. Nicht erwartet wird von Beamten, die das Brüsseler Treffen vorbereiten, dass die EU großen Druck auf andere Länder aufbauen wird. China hat zwar den Schadstoffausstoß 2013 - im Vergleich zu 2012 - dramatisch erhöht. Allzu harte Forderungen würden aber die Exporte nach China gefährden.
Zwist der Ministerien
Wie sich Österreich beim EU-Gipfel verhalten wird, konnte das Bundeskanzleramt am Freitag noch nicht genau beantworten. Denn auch innerhalb der Ministerien gibt es unterschiedliche Standpunkte. Während das Wirtschaftsministerium sehr industriefreundlich agiert, verlangt das Landwirtschaftsministerium schärfere Klima-Regelungen.
Zweiter Streitpunkt beim Klima-Gipfel wird der sogenannte "Emissionshandel" sein, also der Handel mit sogenannten Verschmutzungsrechten. Der Erwerb von Zertifikaten würde es Unternehmen erlauben, mehr Schadstoffe zu emittieren als erlaubt.
Dieser Handel funktioniert aber nicht. Die Voest musste 2013 solche Zertifikate um 20 Millionen Euro kaufen, obwohl sie vergleichsweise sauber produziert. Bis 2030 rechnet Eder - nach dem heutigen System - mit einer Kostenbelastung von 2,3 Milliarden Euro. "Das ist in etwa das, was wir im Stahlbereich verdienen." Grund für die Schieflage ist das Vorhandensein von Gratis-Zertifikaten, ausgerechnet in Ländern mit schlechter Umwelt-Bilanz. "Der Markt funktioniert nicht", stellte auch der Chef von E.ON, ein großer Energieversorger in Deutschland, zuletzt fest.
Energieunion
Nun soll dieser Handel reformiert werden, erste Schritte werden beim EU-Gipfel erwartet. Ein Teil der Einnahmen soll in einen europäischen Klima-Fonds wandern. Was dieser Fonds mit dem Geld machen soll, ist noch Gegenstand heftiger Debatten.
Allzu packende Beschlüsse werden am kommenden Donnerstag von Brüsseler Beobachtern nicht erwartet. Denn der kommende Kommissionspräsident Juncker, der am 1. November das Amt übernimmt, will eine Energie-Union schaffen. Ein Vorschlag dazu lautet, für Strom und Gas in der EU eine Börse zu errichten, die in Euro notiert und die Preise festsetzt. Das hätte natürlich Auswirkungen auf den Emissionshandel, da ja auch Kohlekraftwerke unter dieses Regime fallen. "Geduld", raten daher EU-Diplomaten. Ob der Klimawandel auch solche zeigt?