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Die Koalition im Justiz-Clinch

Von Simon Rosner

Politik

Kürzere Verfahren wollen sowohl ÖVP als auch Grüne. Doch wie? Darüber gibt es Differenzen.


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Am Montag wird es im Bundeskanzleramt zu einer "allgemeinen Aussprache" zwischen Bundeskanzler Sebastian Kurz, Justizministerin Alma Zadic und der Standesvertretung der Staatsanwälte kommen. Das war zumindest am Freitag noch die offizielle Sprachregelung dieses Treffens, das Kurz zuvor als "runden Tisch" unter seinem Vorsitz avisiert hatte.

Auch Karoline Edtstadler wird dabei sein, sie war Richterin und ist nun Kanzleramtsministerin und für Verfassung und Europa zuständig. Vor allem aber soll sie auf türkiser Seite die juristische Expertise einbringen. Am Freitag erklärte sie im Gespräch mit der APA, dass sie für raschere Einstellungen von Verfahren gegen Mitbeschuldigte plädiert. Diese müssten in der Praxis oft auf den Abschluss des Hauptverfahrens warten, bis deren Causa in einigen Fällen eingestellt werde.

"Wie kann man das Ansehen der Staatsanwaltschaften wieder heben?", fragt Edtstadler. Tatsächlich haben sich aber im Vertrauensindex, den das Forschungsinstitut OGM periodisch für Institutionen des Staates abfragt, die Werte für die Justiz deutlich gebessert. Jahrelang rangierte sie im negativen Bereich, im Oktober wurde sie deutlich im Plus ausgewiesen, noch vor der Nationalbank, dem Gewerkschaftsbund oder dem Parlament.

Komplexe Sachverhalte bei Wirtschaftsverfahren

Der ÖVP sind in erster Linie die Dauer der Verfahren bei Wirtschaftsdelikten und Korruptionsfällen ein Dorn im Auge, zumal einige Vertreter der Volkspartei, nicht zuletzt Ex-Finanzminister Hartwig Löger, derzeit selbst von Ermittlungen in der Causa Casinos Austria betroffen sind. Das war auch ein Anlass für den Angriff auf die Staatsanwaltschaft von Kanzler Kurz bei einem Hintergrundgespräch vor zwei Wochen.

Dass die Interessen stark wirtschaftsgetrieben sind, liegt auf der Hand. Dass die Dauer komplexer Wirtschaftsverfahren teilweise sehr lange ist, ist ebenso unstrittig. Und dass dies zu Schwierigkeiten für Unternehmen kommen kann, und zwar als Kläger wie als Beklagte, ist auch klar. Ein Beispiel: Der Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft zur Pleite des Fußballklubs GAK wurde im Vorjahr nach zwölf Jahren dem Justizministerium vorgelegt. Ob Anklage erhoben wird, ist aber nach wie vor unklar.

Ein Revisionsbericht der Oberstaatsanwaltschaft stellt der WKStA jedenfalls ein gutes Zeugnis aus. Zu langen Verfahrensdauern tragen viele Faktoren bei, die nicht im Einflussbereich der WKStA liegen. Relativ oft kommen neue Sachverhalte dazu (auch in der Causa GAK), wegen internationaler Verflechtungen sind - meist lange dauernde - Rechtshilfeverfahren und Übersetzungen nötig. Häufig müssen Sachverständigengutachten eingeholt oder große Datenbestände analysiert werden.

Die ÖVP denkt darüber nach, der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) die Wirtschaftsagenden wieder wegzunehmen, die Grünen stemmen sich dagegen. Und auf grüner Seite versteht man auch nicht, warum ausgerechnet das zu Beschleunigungen führen soll. Bei der WKStA sei schließlich Kompetenz dafür aufgebaut worden, und dies verkürze Verfahren. Justizministerin Zadic will sich vor allem für bessere Ressourcen einsetzen. Also mehr Geld, mehr Personal.

Im Regierungsprogramm finden sich noch weitere Punkte zum Thema Wirtschaftskriminalität. Zum einen soll der Untreue-Paragraf evaluiert werden. Dieser war 2015 unter Rot-Schwarz zuletzt verändert und die Schadenssumme von 50.000 auf 300.000 Euro angehoben worden. Die Kritik der Staatsanwälte und Richter verhallte damals, die ÖVP hatte sogar eine halbe Million Euro als Grenze gefordert.

Auch das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz soll laut Programm überarbeitet werden. Dabei geht es oft um Schadenersatz, wenn ein Unternehmen ein Delikt setzt. Ein Beispiel dafür wäre der Abgas-Skandal bei Volkswagen. Auch hier sind die Verfahren sehr lange. Weder für die Unternehmen noch für die Konsumenten, denen ein Schaden entstanden ist, ist dies eine befriedigende Situation. Eine Option wäre, hier eine Diversion ("Tatausgleich") zu erlauben, bisher ist eine solche nicht möglich. Verfahren könnten in diesem Fall ohne Urteil, aber gegen eine Zahlung von Ersatzbeträgen enden. Man müsse dann aber aufpassen, heißt es aus grünen Kreisen, dass man sich nicht einfach freikaufen kann.