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"Die Koalition wird durchhalten"

Von Alexandra Grass und Brigitte Pechar

Politik

Dass die Diskussion um die Steuerreform die Koalition ein zweites Mal zum Platzen bringen könnte, ist für Verteidigungsminister Günther Platter unmöglich: "Ich bin der großen Überzeugung, dass die Koalition die ganze Legislaturperiode hält", betonte er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Auch ein vorzeitiges Ausscheiden von Finanzminister Karl-Heinz Grasser ist für ihn nicht denkbar.


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"Wiener Zeitung": Wann kommt die Heeresreformkommission in den Ministerrat?

Günther Platter: Die Vorbereitungen laufen. Ich habe damals das Tempo zurückgenommen aufgrund der Diskussion um Pensionsreform und Abfangjäger. Da wollte ich nicht mit einem neuen Thema kommen. Zur Zeit wird der Ministerratsbeschluss vorbereitet, der dann im September eingebracht wird. Ende September oder Anfang Oktober können wir dann mit der Arbeit beginnen.

"Wiener Zeitung": Die personelle Besetzung der Kommission ist schon fix?

Günther Platter: Nein.

"Wiener Zeitung": Man hört, dass es hiebei Einsprüche gegeben haben soll.

Günther Platter: Einsprüche? Nein.

"Wiener Zeitung": Angeblich war man mit der Zusammenstellung nicht ganz zufrieden und deshalb wurde das zurückgestellt?

Günther Platter: Nein, das stimmt nicht. Die Zusammenstellung ist aber klar. Es werden Zivil- und Militärexperten sein, wobei es von militärischen Experten schon die konkreten Vorschläge gibt.

"Wiener Zeitung": Bleiben Sie dabei, dass es wie angekündigt einen "zivilen Kopf" geben wird?

Günther Platter: Ja.

"Wiener Zeitung": Die Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin ist ja nicht im breiten Konsens beschlossen worden. Wie wollen Sie einen sicherheitspolitischen Konsens wieder herstellen?

Günther Platter: Es muss uns zu Bewusstsein kommen, dass Sicherheits- und Verteidigungspolitik nicht Spielball der Parteien sein darf. Meine Einladung ist auch immer wieder, kommt´s diskutieren wir über verschiedene Vorstellungen. Ziel muss ein nationaler Konsens sein.

"Wiener Zeitung": Werden Sie der Kommission inhaltliche, strukturelle oder organisatorische Vorgaben machen?

Günther Platter: Natürlich werden bestimmte Rahmenbedingungen, wie die Teilstrategie, im Entwurf vorgelegt werden. Die Richtung ist klar: Mehr Internationalisierung, wobei das Schwergewicht zweifellos der Balkan werden muss - da sind wir bereits in Mazedonien und im Kosovo. Und ich denke darüber nach, auch nach Bosnien zu gehen, um hier klare Signale zu setzen. Die Folge könnte sein, dass auch eine Strukturänderung notwendig ist. Dafür brauchen wir auch mehr Soldatinnen und Soldaten. Das heißt, dass wir hier bei einer EU-Eingreiftruppe dabei sein sollten. Geplant sind schon 1.500 Kräfte für internationale Operationen (KIOP), die bei den Friedensmissionen dabei sind. Weiterer Punkt ist ein besonderes Bemühen im Katastrophenschutz - ebenso bei Assistenzleistungen.

"Wiener Zeitung": Wie viele Grundwehrdiener und Berufssoldaten braucht das Heer?

Günther Platter: Die Einrückungsstärke der Grundwehrdiener ist vorgegeben. Es muss den jungen Leuten ein Angebot gemacht werden, damit sie zum Bundesheer kommen. Wir brauchen die Wehrpflicht, um die Aufgabenstellung erfüllen zu können. Außerdem brauchen wir mehr Zeitsoldaten als bisher, die bereit sind, zwischen drei und sechs Jahre für internationale Einsätze zur Verfügung zu stehen.

"Wiener Zeitung": Können Sie eine Zahl nennen?

Günther Platter: Eine Vorstellung habe ich schon, wie groß die ganze Sache sein soll, aber wir werden das in der Reformkommission diskutieren.

"Wiener Zeitung": Wie hoch setzen Sie das Einsparungspotenzial durch Umstrukturierungen im Bundesheer an? Braucht man so viele Kasernen?

Günther Platter: Es ist nicht der Sinn der Reform, Einsparungspotenziale zu definieren, um Gelder zu lukrieren. Die Bundesheerreformkommission wird nicht Organisatorisches ausarbeiten. Erst nach Abschluss der Arbeit der Kommission wird es eine Umsetzungsgruppe geben, die sich auch um die Kasernen kümmern wird. Man darf hier nicht das Pferd von hinten aufzäumen. Das falscheste in der Politik ist immer wieder, das Richtige zum falschen Zeitpunkt zu nennen.

"Wiener Zeitung": Wann kommen die Kommanden dran - im Herbst?

Günther Platter: Ich rede jetzt nicht vom Kommanden oder Kasernen Schließen, sonst wäre eine Reformkommission unnötig.

"Wiener Zeitung": Bis wann arbeitet die Kommission?

Günther Platter: Ende des Jahres wird es ein Zwischenergebnis geben und ich gehe davon aus, dass im Frühjahr 2004 die Arbeit der Bundesheerreformkommission dann abgeschlossen ist.

"Wiener Zeitung": Wollen Sie mehr Frauen beim Heer haben?

Günther Platter: Ja. Derzeit sind es 226 Soldatinnen und ich strebe die Verdoppelung des Frauenanteils in den nächsten fünf Jahren an. Seit fünf Jahren gibt es Frauen beim Heer und ich habe beauftragt, dass eine Evaluierung durchgeführt wird, um etwa Problembereiche aufzuzeigen. Überprüft werden auch die Aufnahmekriterien, weil diese doch relativ hart sind. Die Evaluierung wird noch 2003 fertig.

"Wiener Zeitung": Der Wunsch der FPÖ, Teile der großen Steuerreform vorzuziehen, hat innerhalb der Koalition zu heftigen Diskussion geführt. Glauben Sie, dass die Steuerreformdebatte die Koalition ein zweites Mal zu Fall bringt?

Günther Platter: Die Koalitionsfrage stellt sich überhaupt nicht. Ich bin der großen Überzeugung, dass die Koalition die ganze Legislaturperiode hält. Es ist völlig legitim, dass innerhalb der Koalition Diskussionen über einzelne Punkte stattfinden. Wir haben uns im Rahmen des Regierungsabkommens zu bewegen. Die Diskussion nehme ich unaufgeregt hin.

"Wiener Zeitung": Wird die ÖVP der FPÖ in irgendeiner Weise entgegenkommen?

Günther Platter: Ich sehe keine großen Unterschiede. Wir werden im Herbst die Sache in Ruhe diskutieren. Oft wird das Ganze auch stark emotionsgeladen nach außen getragen.

"Wiener Zeitung": WKÖ-Präsident Christoph hat überhaupt davon gesprochen, die Entlastung der Lohn- und Einkommensteuer nur dann zu machen, wenn man es sich leisten kann. Ist das auch ÖVP-Regierungslinie?

Günther Platter: Es gibt natürlich auch innerhalb der eigenen Partei immer wieder andere Ansätze. Dass ein Wirtschaftsvertreter eine andere Meinung vertritt als etwa ein Arbeitnehmervertreter ist durchaus legitim und richtig. Hier muss auch parteiintern ein Konsens hergestellt werden.

"Wiener Zeitung": Um den parteiinternen Konsens herzustellen, werden Sie vielleicht bald Gelegenheit haben. Wäre die Funktion des ÖAAB-Obmannes aus dieser Sicht eine reizvolle Aufgabe?

Günther Platter: Der ÖAAB ist zweifellos eine unglaublich wichtige Kraft innerhalb der ÖVP, er ist das soziale Gewissen der Partei. Es ist dringend notwendig, dass es innerhalb der ÖVP einen starken Arbeitnehmerflügel gibt. Ich bin selber Tiroler ÖAAB-Obmann. Die Delegierten werden zu befinden haben, wer die Nachfolge antritt. Man muss überlegen, ob es Sinn macht, den höchsten Arbeitnehmervertreter in der Regierung zu haben oder außerhalb.

"Wiener Zeitung": Und würden Sie für die Funktion zur Verfügung stehen?

Günther Platter: Die Frage stellt sich nicht, weil zuerst die Situation definiert werden soll.

"Wiener Zeitung": In Tirol findet am 28. September eine Landtagswahl statt. Seit 1999 regiert dort die VP nur mehr mit relativer Mehrheit. Ist es möglich, die Absolute zurückzuholen?

Günther Platter: Ich bin überzeugt davon, dass die Bevölkerung sieht, dass die ÖVP die bestimmende Kraft in Tirol ist und eine sehr gute Politik gemacht hat. Das sowohl von LH Wendelin Weingartner als auch jetzt von LH Herwig Van Staa. Das Bestreben ist es, stärker zu werden. Auf die Absolute haben bei der letzten Wahl nur 19 Stimmen gefehlt. Wichtig ist, dass man aus einer starken Position heraus in Wien verhandeln und in Brüssel auftreten kann. Die Zielsetzung ist, so stark wie möglich aus der Wahl herauszugehen.

"Wiener Zeitung": Mit welchen RegierungskollegInnen verstehen Sie sich persönlich am besten?

Günther Platter: Ich habe mit allen ein gutes Verhältnis. Es muss immer die Basis stimmen. Den engsten Kontakt auf Ministerebene habe ich mit dem Finanzminister. Ich bin froh darüber, dass wir einen Finanzminister haben, der auch in schwierigen Zeiten steht. Der auch unpopuläre Maßnahmen im Interesse des Gesamtwohles setzt. Daher stelle ich mich voll hinter Finanzminister Grasser. Es hat so den Anschein, dass die Opposition hier versucht, nur madig zu machen und anzupatzen - in der Hoffnung, es würde etwas hängenbleiben.

"Wiener Zeitung": Könnte Grasser in nächster Zeit doch noch abgezogen werden - zum Beispiel mit einem Einberufungsbefehl?

Günther Platter: Es besteht keine Gefahr, dass Karl-Heinz Grasser statt Minister Rekrut sein wird. So lässt sich das nicht bewältigen.

"Wiener Zeitung": Kein Einberufungsbefehl unterwegs?

Günther Platter: Nein.

Das Gespräch führten Alexandra Grass und Brigitte Pechar