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Österreichs bisherige indifferente Sicherheitspolitik wird vermutlich enden.
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Jeane-Claude Juncker hat in den vergangenen Wochen Ideen für eine reformierte EU vorgestellt, die für Österreich gravierende Auswirkungen hätten. Denn der Ersatz des Vertrages von Lissabon durch einen "kurzen Vertrag", samt einer weitgehenden Änderung der gesamten Struktur der EU - und damit auch der Position Österreichs - müsste von der österreichischen Bevölkerung durch eine Volksabstimmung erst gebilligt werden.
Einer Kompetenzerweiterung der EU, mit EU-Finanz-, EU-Wirtschafts-, EU-Wissenschafts-, EU-Außen- und EU-Sicherheits- und Verteidigungsministerium, bei gleichzeitiger Abtretung dieser Kompetenzen an Brüssel, samt erhöhten Beiträgen, wird die österreichische Bevölkerung mit Sicherheit nicht zustimmen. Das sind Kernbereiche jeder staatlichen Autonomie beziehungsweise völkerrechtlichen Souveränität, deren Abtretung an die EU Österreichs Unabhängigkeit beenden würde. Und sollte eine Bundesregierung versuchen, dies per Dekret oder Parlamentsmehrheit zu erzwingen, würde das Land auf einen EU-Austritt zusteuern.
Als neutraler Staat kann Österreich keiner EU-Streitmacht beitreten, es sei denn, es erklärt die Neutralität für beendet. Juristen aus dem universitären Bereich und aus dem Außenministerium sowie Botschafter anderer Staaten sehen Österreich nur noch als "bündnisfrei" und nicht mehr als neutral im Sinne der Haager Abkommen an, was Österreich überdies durch diverse Erklärungen, wie die Forderung nach dringender Realisierung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP), so auch in der Sicherheitsstrategie 2013, offiziell bekundet und auch praktiziert.
Umgekehrt zu erklären, Österreich bleibt neutral, obwohl das Bundesheer in einer EU-Armee aufgeht, wäre absurd, obwohl es sicher auch Politiker geben wird, die dies bejahen - man erinnere sich an seltsame Aussagen 2001, Neutralität und Nato-Beitritt wären vereinbar.
Nur erfordert eine Abschaffung der Neutralität ebenfalls eine Volksabstimmung, da es eine grundsätzliche Änderung der Bundesverfassung darstellt, zumindest wurde dies von der Politik 2008 so behauptet. Der Kardinalfehler von 1955, die Neutralität nicht dem Volk zur Abstimmung vorzulegen (aus Angst vor einer Ablehnung), lässt sich heute nicht mehr wiederholen.
Andererseits haben viele Politiker immer wieder erklärt, dass - bei Realisierung von EU-Streitkräften - Österreich seine Neutralität von sich aus beendet. Man sollte aber dann den Österreichern plausibel machen, dass sich ihr Land bei einem Angriff auf Griechenland, Finnland oder Estland - solidarisch und vertraglich - automatisch im Kriegszustand gegen den Angreifer befindet. Sollte die EU, wie 1992 beziehungsweise 2015 erwogen, ihre Verteidigung der Nato übertragen, wird Österreich entweder der Nato beitreten müssen oder sich im sicherheitspolitischen Abseits wiederfinden.
Eine Umsetzung von EU-Reformen lässt sich für Österreich nur mit klaren Entscheidungen samt allen Konsequenzen erreichen. Und die Chance, wie Schweden und Finnland nach 1995 die Neutralität für beendet zu erklären, wurde versäumt.