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Die CSU peilt bei der bayerischen Landtagswahl die absolute Mehrheit an.
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München. Die größte Konkurrenz für die CSU ist das Wetter. Doch trotz des lauen Septemberabends ist der Saal im Münchner Weyprechthof, einem klassischen Biergarten im Norden der Stadt, prall gefüllt. Erst sorgen Blasmusik und Brezn für gute Stimmung, dann spielt Johannes Singhammer den Einpeitscher: "Die deutsche Sprache wird in der EU diskriminiert. Wenn unsere Politiker nach Brüssel fahren, vergessen sie ihre Muttersprache und reden stattdessen seltsames Englisch", empört sich der Bundestagsabgeordnete. Singhammer peilt für die Bundestagswahl am 22. September den Wiedereinzug an, seine Parteikollegen haben für die am Sonntag stattfindende Landtagswahl noch größeres vor: die absolute Mehrheit.
Fünf Jahre der Schmach liegen hinter der so stolzen CSU. Zwar stellte sie wie gehabt den Ministerpräsidenten, doch nach 42 Jahren Alleinregierung benötigten die Christsozialen ab 2008 einen Koalitionspartner. Wie im Bund gab die liberale FDP den Mehrheitsbeschaffer. Doch der CSU scheint die Trendwende zu gelingen, sie rangiert in Umfragen bei 48 Prozent und steuert auf die absolute Mandatsmehrheit zu. Weit abgeschlagen liegen SPD (20 Prozent) und Grüne (zehn Prozent). Die bürgerlichen Freien Wähler können mit acht Prozent rechnen, während die FDP wohl an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert.
Unter Horst Seehofer fand die CSU wieder zurück auf die Erfolgsspur. Von den 17,9 Prozentpunkten Verlust bei der vergangenen Wahl spricht heute niemand mehr bei den Christsozialen, dafür aber von Wachstum und Vollbeschäftigung. Der bullige Ingolstädter tritt selbstbewusst auf und fordert auch gerne Kanzlerin Angela Merkel verbal heraus - zuletzt in der Debatte um eine Autobahnmaut für ausländische Pkw-Fahrer (siehe nebenstehenden Artikel). Mit seinen Erfolgen in der Bildungs- und Wirtschaftspolitik bietet Seehofer der Opposition wenig Angriffsfläche. Dementsprechend unaufgeregt gestaltete seine Partei den Wahlkampf, stieg erst spät ins Rennen ein. "Bayern. Unser Ministerpräsident", lautet die einfache Botschaft auf den Plakaten. Den Namen Seehofer sucht man darauf vergebens, so hoch sind Bekanntheitsgrad und Wiedererkennungswert des Landesobersten.
Im Gegensatz dazu kommt die Wahlkampagne von SPD-Spitzenkandidat Christian Ude nicht vom Fleck. Der Münchner Bürgermeister ist zwar populär, seine Beliebtheit färbt aber nicht auf die Partei ab. Daran änderte auch Udes Auftritt auf Augenhöhe im TV-Duell mit Seehofer nichts: Die Schuldentilgung der Regierung sei "eine Märchenstunde". Es gebe nun neun Milliarden Euro Schulden mehr als bei Regierungsantritt, zürnte der Sozialdemokrat. Wie die Bundespartei setzt Ude auf das Thema Gerechtigkeit, kritisiert die horrenden Mieten in den Städten. Bis auf einzelne linke Hochburgen ist und bleibt Bayern aber ein bürgerlich-konservativ dominiertes Land.
Stabiler Rechtsdrang
"Seit dem Zweiten Weltkrieg sind die politischen Lager erstaunlich stabil", erklärt Michael Weigl, Politikwissenschafter an der Ludwig-Maximilians-Universität München, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung": Rund 60 Prozent der Stimmen gehen demnach regelmäßig an CSU, FDP und die Freien Wähler, während SPD und Grüne nicht über 35 Prozent hinauskommen. "Auch mittelfristig spricht wenig für eine Änderung. Nur ein politisches Erdbeben könnte die CSU von der Spitze verdrängen", sagt Weigl. Schlechte Nachrichten sind das für jene, die auf ein zweites Baden-Württemberg hoffen. Im südwestlichen Bundesland wurde 2011 die CDU nach 58 Jahren Regentschaft abgewählt, erstmals in der Geschichte Deutschlands amtiert mit Winfried Kretschmann ein grüner Ministerpräsident.
Warum in Bayern die Uhren anders gehen, die beiden ideologischen Blöcke so stabil sind, ist auch unter Forschern umstritten. Eine Gruppe argumentiert, dass die Bayern schlicht konservativer seien, andere sehen dieselben Erosionsprozesse wie bei anderen Parteien, bloß mit Verspätung - Mitglieder treten aus, die Bindung zur politischen Heimat wird schwächer. Politologe Michael Weigl befürwortet einen Mittelweg beider Erklärungsmuster: Die Bayern seien zwar im Vergleich zu anderen Deutschen heimatbewusster und christlich-konservativ. Aber auch der CSU laufen die Mitglieder davon; seit 1990 verlor sie mehr als 30.000 ihrer einst 185.000 Anhänger. In der CDU begann dieser Prozess bereits eine Dekade früher.
Weigl wartet mit einer unkonventionellen Erklärung auf: Zuwanderer nach Bayern stabilisieren die Lagerbildung, schwächen den bürgerlich-konservativen Block nicht. Denn die Migranten kommen aus anderen Bundesländern oder dem Ausland, gerade weil sie sich mit dem bayerischen Erfolgsmodell, das mit der CSU gleichgesetzt wird, identifizieren und, anders als in ihrer Heimat, einen Job in Bayern finden. Jedoch ganz in die Hände der Christsozialen wollen Bayerns Bürger ihr politisches Schicksal nicht legen: 60 Prozent lehnen eine CSU-Alleinregierung ab.