Die Volksanwaltschaft beobachtet die Einsätze der Polizei auf der Akademikerball-Demonstration - und zeigt Missstände auf.
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Wien. Rüpelhaft und unfreundlich sind noch die netteren Bezeichnungen der Demonstranten für das Verhalten der Polizei rund um den Akademikerball. Heuer findet er am Freitag in der Wiener Hofburg statt. Polizisten würden aktiv Streit suchen, Demonstranten schlagen und bedrohen: So lauten die weniger netten Anschuldigungen, die auch fünf junge Männer nach dem Akademikerball des Vorjahres gegen 13 Polizisten erhoben haben. Schließlich wurden die jungen Männer angeklagt -wegen versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt, gefährlicher Drohung und schwerer Körperverletzung. Vier von ihnen wurden komplett freigesprochen, das fünfte Verfahren wurde laut Anwalt Manfred Arthofer diversionell beendet. Der Mann muss nun wegen leichter Körperverletzung Sozialstunden leisten.
Der schwelende Vorwurf, dass es nicht nur die Demonstranten seien, die bei ihren Protesten Streit suchten, steht aber nach wie vor im Raum - vor allem im Zusammenhang mit dem Akademikerball. Dieser wird von der Landesgruppe Wien der FPÖ organisiert und gilt als Nachfolger des Wiener Korporationsballs (WKR-Ball), der bis 2012 von farbentragenden und großteils schlagenden Hochschulkorporationen ausgerichtet wurde.
Schutz der Menschenrechte
Um die Polizei bei ihrer Kontrolle der Demonstranten ihrerseits zu kontrollieren, geht seit mehreren Jahren ein Team der Volksanwaltschaft mit. Diese ist grundsätzlich als parlamentarischer Ombudsmann zur Kontrolle der öffentlichen Verwaltung eingerichtet, 2012 erhielt sie ein verfassungsrechtliches Mandat zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte. Und es gab bereits einiges zu beanstanden. "Wenn es im Zuge der Demonstrationen Festnahmen mit Fesselungen gab, haben wir beobachtet, dass das nicht immer unter möglichster Schonung und Wahrung der Verhältnismäßigkeit passiert ist", sagt Martina Cerny, Geschäftsbereichsleiterin zum Thema Innenministerium in der Volksanwaltschaft, zur "Wiener Zeitung". Manche Fesseln saßen also zu fest. Außerdem hätten Einkesselungen, bei denen die Polizei die Identitäten überprüft, mitunter "sehr lange gedauert" - also ein, zwei Stunden lang. Großflächige Personenkontrollen müssten aber eine überschaubare Zeitdauer haben, so Cerny. Allein schon deshalb, weil man den Menschen die Möglichkeit geben müsse, auf die Toilette zu gehen.
Zudem seien die Lautsprecherdurchsagen nicht immer laut genug, sagt Cerny. Einige überhörten dadurch, dass die Polizei eine Einkesselung ankündigte. Zuschauer der Demonstrationen hätten dann gar keine Gelegenheit, den Bereich zu verlassen.
Die Lautsprecher seien so laut, wie es die technischen Voraussetzungen erlaubten, heißt es dazu von der Landespolizeidirektion Wien auf Nachfrage. Und: "Wer wie wo eingekesselt wird, hat seinen Grund." Wenn zum Beispiel schon von der Ferne zu erkennen sei, dass sich Demonstranten trotz Vermummungsverbotes vermummt hätten, und man sich dieser Gruppe anschließe, müsse man damit rechnen, dass man bei Repressionsmaßnahmen ebenfalls betroffen sein könnte.
Und die Handfesselung? "Die ist nie angenehm", heißt es weiter. In den vergangenen zwei Jahren seien die Akademikerball-Demonstrationen aber ruhiger verlaufen. "Da wurden wir nicht mit Silvesterraketen beschossen wie 2014." Damals gab es die bisher schwersten Krawalle.
2014 habe auch die Volksanwaltschaft massive Kritik geäußert, sagt Cerny. Dabei bleibt es allerdings auch. Denn deren Aufgabe sei, zu beobachten. Maßnahmen zu ergreifen, gehöre nicht dazu. Nur einmal habe man einen Polizisten sofort gebeten, die Fessel zu lockern, weil Gefahr im Verzug gewesen sei. Normalerweise treffe man sich erst nach den Demonstrationen zu einem Gespräch mit der Dienststellenleitung, erarbeite ein Protokoll und gebe Empfehlungen ab.
Die präventive Arbeit der Volksanwaltschaft führe zu Sensibilisierung respektive Sofortmaßnahmen der Verbesserung, heißt es dazu aus dem Innenministerium. Bezüglich der Akademikerball-Demonstrationen habe der Menschenrechtsbeirat, das Beratungsgremium der Volksanwaltschaft, in einer Arbeitsgruppe, in der auch Experten des Innenministeriums vertreten waren, menschenrechtliche Standards für polizeiliche Großlagen wie bei Demonstrationen erarbeitet. Diese würden nun berücksichtigt. Seit 2008 setzt die Polizei grundsätzlich auf die 3D-Strategie: Dialog, Deeskalation, Durchgreifen.
Heuer werden das jedenfalls 14 Mitglieder der insgesamt sechs Expertenkommissionen beobachten, die die Volksanwaltschaft 2012 im Zuge des Mandats zum präventiven Schutz der Menschenrechte eingerichtet hat, sagt Cerny. Die Kommissionsmitglieder (österreichweit 56) kommen aus unterschiedlichen Zivilberufen und sind zum Beispiel Juristen oder Psychologen, durch die Arbeit als Kommissionsmitglied erhalten sie ein Zusatzeinkommen. Sie führen unangekündigt Kontrollbesuche in Gefängnissen, Altenheimen oder Behindertenwerkstätten durch - oder gehen bei Demonstrationen mit.
Polizei-TV für Transparenz
So auch am Freitag. Die Kontrolle sei in diesem Fall jedoch angemeldet, so Cerny, bereits im Vorfeld sei man bei den Gesprächen der Polizei dabei gewesen und wisse über die Einsatzpläne und Demonstrationszüge Bescheid. So sei die Wahrscheinlichkeit höher, dass man mit der geringen Anzahl von 14 Kommissionsmitgliedern an den neuralgischen Punkten präsent sein könne. Die Demonstranten werden die Kommissionsmitglieder nicht auf den ersten Blick erkennen, sie tragen aber einen Ausweis bei sich.
Bei der Polizei wurden bisher drei Demonstrationsmärsche und zahlreiche Standkundgebungen angemeldet, gerechnet werde mit rund 2000 Teilnehmern, heißt es. Diesen stehen 2700 Polizisten gegenüber. Zudem seien 36 Teams mit Kameras ausgerüstet - der Internet-Kanal Polizei-TV, im Zuge dessen auch die Arbeit der Polizei auf dem Ball gezeigt werden soll, sorge für Transparenz.