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Die Korruption bekämpfen, um die Haiders zu besiegen

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Die Nachricht, dass Jörg Haider an die Macht gekommen ist, ist eine traurige Erinnerung an die Karriere des hitlerischen Protagonisten aus "Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui" von Bertolt | Brecht, schreibt der Bestsellerautor Salman Rushdie in einem Leitartikel in der "New York Times".


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Diese Nachricht stehe in einem bitteren Gegensatz zu seinen Erinnerungen an die Veranstaltung anläßlich des 50. Jahrestages der Befreiung Österreichs vom Nazismus auf dem Wiener Heldenplatz, an

der er an einem regnerischen Abend teilgenommen hat, als dem "besseren Österreich" Stimme gegeben wurde. In der immer größeren Popularität Haiders sieht Rushdie die Niederlage all jener jungen

Idealisten, die Seite an Seite an jenem Abend im prasselnden Regen standen. Aber es sei nicht richtig im Triumpf Haiders bloß einen Sieg des Schlechten über das Gute zu sehen. Der Erfolg der

extremistischen Führer sei immer an die Mängel des Systems gebunden, das sie ersetzen oder zumindestens kontrollieren wollen: "Die Tyrannei des Schah von Persien hat die Tyrannei der Ayatollahs

geschaffen. Die faule Korruption des alten laizistischen Algerien war der Ursprung der Bewaffneten Islamischen Gruppe und der Islamischen Heilsfront" schreibt Rushdie, der meint, daß die Große

Koalition mit ihrer Unbeweglichkeit die Wähler immer mehr desillusioniert und sie in die Arme Haiders getrieben hat.

"In diesen Tagen sind die europäischen Zeitungen voll mit politischen Korruptionsskandalen und diese Enthüllungen sind ein wahres Manna für populistische Demagogen wie Haider. Wenn die Erben des

ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Bettino Craxi, der wegen Korruption verurteilt wurde, mit den Achseln zucken und die Geschichten über die schwarzen Fonds desselben Craxi, des Deutschen

Helmut Kohl oder des Franzosen François Mitterand als irrelevant bezeichnen, machen sie nichts anderes als die Sache noch zu verschlechtern. Je mehr sich Europa als ,Große Koalition` von arroganten

Führern gebärdet, für die der Zweck immer alle Mittel gerechtfertigt, um so mehr Waffen haben Männner wie Haider in der Hand.

Haider hat erklärt, daß er nicht persönlich in die Regierung eintritt; es ist tatsächlich viel leichter durch Prokuristen und Marionetten zu regieren, als sich persönlich zu exponieren."

Rushdie zitiert den Politologen Karl Markus Gauss, wonach Haider wie Jean Marie Le Pen in Frankreich und Umberto Bossi in Italien, die Unterstützung des wohlhabenden Bürgertums erlangt hat und daß er

wie diese in den Immigranten nicht deren Rasse, sondern ihre Armut verachtet.

Der Kampf gegen die Korruption und der Kampf gegen Haider sind exakt die gleiche Sache, meint Rushdie. Die Europäische Union muß die gleiche Energie dafür aufwenden, die Korruption in ihren eigenen

Reihen zu bekämpfen wie sie ihre Reihen gegen Haider und seine Freiheitliche Partei dicht macht, fordert Rushdie und erinnert an das Ende des Brecht-Dramas: "Der Schoß ist fruchtbar noch aus dem das

kroch".

"Die Europäische Union muß so schnell wie möglich in ihrem Inneren saubermachen, wenn sie nicht will, dass die Geschichte sie an die letzte Inkarnation dieser grausamen Mutter erinnert", schließt

Rushdie.