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Die Kraft des Unsichtbaren

Von Alexandra Grass

Wissen
Unsichtbar zu werden - daran wird gearbeitet.
© Corbis/Jon Bower

Herzfrequenz und Stresspegel nehmen vor fremdem Publikum deutlich ab.


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Stockholm/Wien. Die Kraft der Unsichtbarkeit fasziniert den Menschen seit jeher. Schon viele große Autoren und Philosophen haben sich diesem Thema gewidmet. Nicht zuletzt auch Platon, der in seinem Werk "Politeia" dem einfachen Hirten Gyges mittels eines Ringes die Macht verleiht, unsichtbar zu werden. Mithilfe des ihm übermittelten Zaubers verführt er die Königin, tötet den König und reißt die Herrschaft an sich. Aber auch der Science-Fiction-Roman "Der Unsichtbare" von H. G. Wells widmet sich dem Thema. Vielleicht wird es in baldiger Zukunft möglich sein, Körper in einen solchen Zustand zu versetzen. Über die Auswirkungen auf unser Gehirn und unsere Körperwahrnehmung tappen wir allerdings noch großteils im Dunkeln.

Gehirn steuert soziale Signale

Einzig Forscher des Karolinska Instituts in Stockholm haben nun getestet, wie das Gefühl der Unsichtbarkeit die Stressreaktion des Menschen in wechselnden Situationen verändern kann, wie sie in der Fachzeitschrift "Scientific Reports" berichten. Dazu statteten sie insgesamt 125 Studienteilnehmer mit sogenannten Head-Mounted Displays aus, einer Art Videobrille, die sie für den eigenen Anblick unsichtbar erscheinen lässt. Schaut die Versuchperson nämlich in Richtung ihres Körpers, sieht sie mit der Brille nur leeren Raum.

In einem der Versuche stellten die Wissenschafter um Arvid Guterstam nun die vermeintlich Unsichtbaren vor ein Publikum fremder Personen. Dabei fanden sie heraus, dass deren Herzfrequenz und der dazu selbst definierte Stresspegel während ihrer Bühnentätigkeit dann niedriger war, wenn die Probanden der Illusion der Unsichtbarkeit ausgesetzt waren - im Gegensatz zur Situation der physischen Sichtbarkeit ihrer eigenen Körper.

"Diese Ergebnisse sind interessant, weil sie zeigen, dass die wahrgenommene physische Qualität des Körpers die Art und Weise verändern kann, wie unser Gehirn soziale Signale steuert", betont Guterstam.

Die Forscher hoffen, mit ihren Ergebnissen künftig Menschen mit Sozialphobien besser helfen zu können. Folgestudien sollen untersuchen, ob Unsichtbarkeit auch die moralische Entscheidungsfindung beeinflusst. "Nicht dass uns künftige Möglichkeiten der Tarnung unseren Sinn für richtig und falsch verloren lassen gehen, so, wie es Platon vor zwei Jahrtausenden behauptete", betonte Henrik Ehrsson vom Department für Neurowissenschaften am Karolinska Institut.