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"Wer glaubt, dass die Mängel der EU mit der Nominierung von Jean-Claude Juncker zum Kommissionspräsidenten beseitigt werden können, lebt am Mars." Ein starker Satz vom neuen Star der europäischen Sozialdemokratie, Italiens Regierungschef Matteo Renzi. Italien hat im zweiten Halbjahr die EU-Präsidentschaft inne und als wesentliches Thema die Wirtschafts-Ankurbelung gewählt. Renzi stellt dafür den Stabilitätspakt in Frage, da die Sparpolitik der EU-Länder die Arbeitslosigkeit in die Höhe treibt.
Die Regierungschefs werden daher beim EU-Gipfel nicht nur mit dem britischen Premier Cameron um Personalia streiten. Es geht vielmehr um die Frage, wie öffentliche Investitionen angekurbelt werden können, ohne die 28 nationalen Budgets zu belasten.
Richtig, das geht nicht. Es geht vielmehr darum zu klären, welche Investitionen nicht mehr ins Defizit eingerechnet werden müssen. Da sind zuvorderst Bildung und Forschung zu nennen. Da ist die massive Förderung von Start-ups zu nennen, da in Südeuropa auch Jungakademiker keine Jobs mehr finden. Da ist eine kluge, europaweit abgestimmte Industriepolitik zu nennen. Da ist auch eine De-Regulierung der Banken zu nennen, die Basel III genannten Vorschriften behindern Kreditvergaben an Kleinbetriebe.
All das kostet Geld, viel Geld. Der Anschub muss von der öffentlichen Hand kommen, durchaus auch vom EU-Budget.
Genau dieser Schub darf allerdings nicht als Defizit gewertet werden. Und es muss einmal mehr einen EU-weiten Finanzausgleich geben, denn ein ausgeglichenes Budget in Deutschland ist ebenso wachstumsfeindlich wie die jahrelange Ausdünnung des italienischen Schulsystems.
Renzi hat recht, auf die Regierungschefs wartet viel Arbeit. Die Gefahr, dass sie sich in die Haare kriegen wegen Juncker, ist groß, aber sie wäre fatal. In Wahrheit geht es um eine konsistente Wirtschaftspolitik für die kommenden fünf Jahre, um Jobs zu schaffen.
Diese Politik sollte eine gemeinschaftliche Leistung sein, das Europäische Parlament muss darin eingebunden werden. Daran führt kein Weg vorbei, denn es müsste mittlerweile jedem Politiker klar geworden sein, dass die EU-Gegner nur dann 2019 zurückgedrängt werden können, wenn die Arbeitslosenzahl signifikant sinkt. Das beste Argument von Le Pen & Co sind 27 Millionen Arbeitslose - und nicht Jean-Claude Juncker.