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Janukowitsch mahnt zu Besonnenheit, Regierung in Kiew spricht von Invasion.
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Kiew/Wien. Von ihm hatte man sich einen Appell zur Deeskalation der angespannten Lage auf der Krim am wenigsten erwartet: Auf seiner ersten Pressekonferenz seit der Flucht aus Kiew erteilte der gestürzte Präsident Wiktor Janukowitsch den Abspaltungsdrohungen auf der Halbinsel Krim eine deutliche Absage und warnte seine Anhänger in der Ukraine vor weiterem Blutvergießen: "Bitte erlauben Sie nicht, dass irgendwelche innerethnischen Konflikte ausbrechen." Eine mögliche Fusion des seit 1954 zur Ukraine gehörenden Territoriums mit Russland lehnte er entschieden ab. "Die Krim muss Teil des ukrainischen Staates bleiben."
Die 26.000 Quadratkilometer große Halbinsel, die auch die russische Schwarzmeerflotte beherbergt und auf der 60 Prozent der knapp zwei Millionen Einwohner Russen sind, zählt zu den letzten Bastionen in der Ukraine, die sich dem Diktat der neuen Machthaber in Kiew nicht unterordnen. Die Krim wurde zum Epizentrum des Machtkampfes zwischen den pro-europäischen und den pro-russischen Kräften. In der Nacht auf Donnerstag hatten Russland-treue Kräfte, die sich als "Volksmiliz der Krim" vorstellten, das Parlaments- und Regierungsgebäude in Simferopol besetzt.
Maskierte stürmten Airport, angeblich 2000 Soldaten
Am Freitag eskalierte die Lage weiter. Rund 50 Maskierte mit Kalaschnikows besetzten am frühen Morgen den internationalen Flughafen von Simferopol. Als sie das Gebäude nach ukrainischen Soldaten durchforstet hatten, zogen sie wieder ab. Die neue Regierung in Kiew warf Moskau eine feindliche Invasion vor. Laut Innenminister Arsen Awakow handelte es sich bei den Uniformierten um russische Armeeangehörige. Dies bestätigte indirekt ein österreichischer Militärexperte der "Wiener Zeitung" anhand eines Fotos eines der Uniformierten. Es handle sich - zumindest dem Uniformtarnmuster nach - um russische Fallschirmjäger. Andere wieder vermuteten dahinter entlassene Mitglieder der mittlerweile aufgelösten Janukowitsch-treuen Berkut-Spezialeinheit der ukrainischen Polizei und spekulierten darüber, ob der gestürzte Präsident womöglich über die Krim in die Ukraine zurückkehren wolle.
Das Verteidigungsministerium in Moskau dementierte jegliche Beteiligung. Auch mit der vorübergehenden Blockade eines unter ukrainischer Verwaltung stehenden Militärflughafens bei Sewastopol habe die russische Schwarzmeerflotte nichts zu tun. Lediglich der Schutz der Marineeinrichtungen sei wegen der gespannten Lage verstärkt worden. Am Abend wurden allerdings weitere 2000 russische Soldaten gemeldet, die auf einer Militärbasis bei Simferopol gelandet seien.
Die neue ukrainische Regierung warf Russland Grenzverletzungen vor und beantragte eine Sondersitzung des UNO-Sicherheitsrats, in dem neben den USA, China, Großbritannien und Frankreich auch Russland ständiges Mitglied ist (die Sitzung war zu Redaktionsschluss noch in Gang).
Referendum zu Abspaltung parallel zu Präsidentenwahl
Moskau heizt derweil die Diskussion über eine Krim-Abspaltung an. Laut einem Gesetzesentwurf, den die Kreml-treue Partei Gerechtes Russland am Freitag in der Staatsduma einbrachte, soll künftig bereits ein Referendum und nicht wie bisher ein völkerrechtlicher Vertrag genügen, damit ein Land oder ein Landesteil sich Russland anschließen kann. "Wir reichen den Brüdern in der Ukraine eine helfende Hand", so Fraktionschef Wladimir Wassiljew. Ein Referendum über die Abspaltung der Krim ist laut der autonomen Regierung in Sewastopol schon fix - und zwar am 25. Mai, dem Tag der Neuwahl des ukrainischen Präsidenten.