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Die Krise fegt durchs Kornfeld

Von Claudia Peintner

Wirtschaft
Der Weizen befindet sich in Österreich in der Reifephase - die Landwirtschaftskammer rechnet wegen schwieriger Witterung mit einer mittelmäßigen Ernte. Foto: B. Michael

Ernte soll heuer 4,8 Tonnen bringen. | Händler sitzen auf Lagerbeständen fest. | Neusiedlam See. Zuerst litt die Landwirtschaft unter der Dürreperiode im April, jetzt sind es die heftigen Regenfälle, die speziell den Getreidebauern Sorgen bereiten. Die wolkenverhangenen Weizenäcker rund um den Neusiedlersee befinden sich in bester Reifephase.


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Halten die Regengüsse und das schwüle Wetter allerdings zwei Wochen an, besteht die Gefahr von Pilzbefall sowie Auswüchsen. Und der Raps könnte aufplatzen, berichtet Franz Stefan Hautzinger, Präsident der Landwirtschaftskammer Burgenland bei einem Lokalaugenschein in Neusiedl am See.

Er deutet auf die weiten Sommergerste-Flächen, die auf die längst überfällige Ernte warten. "Der Boden ist derzeit so angefeuchtet, dass die Mähdrescher nicht hineinfahren können", so Hautzinger.

Angesichts der aktuellen Wetterkapriolen rechnet die Landwirtschaftskammer Österreich (LKÖ) heuer mit einer Getreideernte von etwa 4,8 Mio. Tonnen. "Das ist eine durchschnittliche Getreideernte im unteren Bereich", sagt LKÖ-Präsident Gerhard Wlodkowski. Damit sei 2009 genügend Rohstoff für Brot, die Brauereien, den Futtertrog und auch für die Energieschiene zur Produktion von Ethanol vorhanden.

Gerste, die keiner will

Nach einem Höchstwert von knapp 300 Euro je Tonne im März 2008 liegt der Weizenpreis derzeit bei rund 140 Euro je Tonne. So deutlich gefallen ist er unter anderem freilich auch deshalb, weil die Getreidelager nach der Rekordernte im Vorjahr nun EU-weit voll sind. Allein in Österreich liegt der unverkaufte Lagerbestand bei rund 700.000 Tonnen. Das ist 200.000 Tonnen über dem Durchschnitt.

"Wir sitzen vor allem auf der Braugerste und auf dem Mais fest", heißt es aus der Landwirtschaftskammer. Der Grund: Seit Jahresanfang ist - wegen niedriger Milchpreise und Zuchtrinderexporte - der Absatz von Mischfutter zurückgegangen. Gleichzeitig gibt es auch eine rückläufige Nachfrage bei den Biererzeugern. Dies hänge jedoch mehr mit dem kalten Winter zusammen, als mit der Wirtschaftskrise, glaubt die Kammer.

International betrachtet hinterlässt die Wirtschaftskrise dennoch Spuren bei den Getreidebauern - wenn mitunter auch unerwartete. In den EU-27 sollen in den nächsten Wochen 292 Mio. Tonnen Getreide geerntet werden. Bei Weizen geht man von einem Minus von neun Prozent aus. Sowohl die Anbaufläche (minus fünf Prozent) als auch die Hektarerträge werden geringer erwartet. Vor allem den zuletzt sehr verwöhnten Anbauländern Ukraine und Ungarn werden für heuer drastische Ertragseinbrüche von bis zu 26 Prozent vorhergesagt.

Billige Umwege auf See

Schuld ist nicht nur die ungünstige Witterung, sondern speziell die durch die Krise herbeigeführte Geldknappheit. Nach Schätzungen mussten die Landwirte um mindestens 20 Prozent weniger für teure Dünge- und Pflanzenschutzmittel ausgeben, was die Erträge deutlich schwinden lässt.

Auf einem Sparkurs ist auch Italien - das für Österreich wichtigste Exportland bei gemahlenem Getreide. Das Land der Pasta, Panetones und Weißbrote setzt immer mehr auf Importe aus den USA, statt aus der Alpenrepublik und Umgebung. Weil Schiffsdiesel weltweit steuerbefreit ist, kommt ihnen zum Teil der geräumigere Seetransport billiger als jener über Land.

Während der Landwirtschaftskammer in der Exportfrage noch Lösungen fehlen, scheint man solche in Bezug auf starke Getreidepreis-Schwankungen bereits gefunden: Um die "Bocksprünge" auf der Preisfront künftig einzudämmen, will man ein nationales Krisenlager für Brot- und Futtergetreide als Lenkungsinstrument einrichten.