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Die Krise zieht nicht mehr

Von Clemens Neuhold

Politik

Im sechsten Jahr nach Ausbruch der Finanzkrise hält der SPÖ-Chef an seiner Erzählung fest - die Partei ist aber schon weiter.


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Österreich hat die Krise am besten überwunden. Das ist das rote Mantra seit 2008. Und es war nicht unberechtigt mit Blick auf die internationalen Vergleichs-Statistiken. Niedrigste Arbeitslosigkeit, steigende Schulden ja, aber nicht explosiv, mehr neue Investitionen als in anderen Ländern.

Dass sich Bundeskanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann das Thema auch bei seinem vierten Wahl-Parteitag nicht nehmen ließ, war zu erwarten, aber man hoffte es. Denn nach sechs Jahren verliert selbst ein Mantra an Kraft. Faymann musste stimmlich schon sehr poltern, wenn er gegen Spekulanten, Neoliberale und die Bremser beim Koalitionspartner ÖVP wetterte, um den nötigen Applaus zu ernten. Floskel-Alarm inklusive.

Spätestens nach dem Parteitag 2014 muss Werner Faymann klar geworden sein, dass die Krise nicht mehr zieht. Als Thema wohlgemerkt. Denn klar, sie ist noch da. Das Wirtschaftswachstum wurde erst wieder auf null gestellt. Der Spielraum für Investitionen wird enger. Die Schulden sind seither deutlich gestiegen und schnüren das Korsett zusätzlich ein. Es riecht nach Dauerkrise. Japan lässt grüßen. Deswegen reichte es den "Menschen" - der liebste Adressat auf jedem Parteitag im Vergleich zu den kühlen Millionären - nicht mehr, was einst erreicht wurde. Der maue Applaus der SPÖ-Delegierten am Parteitag stärkte den Eindruck. Schon gar nicht reicht der Rückblick dann, wenn der erste Platz bei Arbeitsplätzen gerade an Deutschland verloren ging. Jenes Land, in dessen wirtschaftlichen Windschatten Österreich surft, was viel von unserem guten Abschneiden erklärt. Jenes Land, das aber nun nicht nur weniger Arbeitslose hat, sondern auch keine neuen Schulden mehr machen will - im Gegensatz zu Österreich, wo die SPÖ das Nulldefizitziel 2016 wieder aufschnüren will.

Sticheleien gegen den Partner

Das kann berechtigt sein. Faymann verwies darauf, dass das hochgelobte Deutschland eine weit schlechtere Infrastruktur vorweist. Aber in der Rede kam das nur fragmentarisch vor. Die große Erzählung fehlte, wo die Roten Österreich hinführen wollen. Gesamtschule und Millionärsabgabe - so lauten die Antworten der SPÖ auf fast alle Fragen der vergangenen Jahre. Das freut den Boulevard, der täglich einen Politiker bringen kann, der dafür, und einen, der dagegen ist: "Streit um . . . ". Man kann es nicht mehr hören.

Was fehlt und was die SPÖ unter Werner Faymann verabsäumt hat zu entwickeln, ist eine große Erzählung über den Weg aus der Krise. In so einer Erzählung sind Gesamtschulen und Vermögenssteuern nur eine Randnotiz. In so einer Erzählung würde Faymann erklären, dass es den Menschen künftig nicht besser, sondern vielleicht schlechter als ihren Eltern gehen könnte, und nicht, dass die Pensionen auf ewig sicher sind.

Er würde daran erinnern, wie großartig Österreich im Vergleich zu anderen Ländern sozial dasteht und worauf Großeltern, Eltern und Kinder stolz sein können - ja, die Kurz-Kampagne, geschenkt -, und dann würde er erklären, dass die SPÖ dieses Niveau so gut wie möglich halten wird - trotz demografischer Keule, Schuldenbremse, Dauerflaute.

Dazu würde aber gehören, dass die SPÖ sich zu ihrer Zusammenarbeit mit der ÖVP bekennt, anstatt ihr wie am Parteitag wieder einzuschenken. In Koalition verfeindet, "Streit um", der Boulevard dankt. Aber ein besseres Rezept, um Wähler zu Nicht-Wählern zu machen, gibt es nicht.

Denn die SPÖ und ÖVP sind eine Schicksalsgemeinschaft, wenn es um diese Absicherung des bröckelnden Wohlstandes und der sozialen Systeme geht. Stattdessen streitet man um Vermögenssteuern ja, nein, Gesamtschule ja, nein. Die FPÖ dankt.