Böse Zungen behaupten, die 20 einflussreichsten Nationen hätten sich noch nicht einmal auf den Termin für die nächste Wirtschaftskrise einigen können. Seit dem vergangenen Wochenende ist diese eine Spur näher gerückt und realistischer geworden. Das karge Kompromisspapier kann nicht darüber hinwegtäuschen: Der G20-Gipfel in Toronto war ein Scheitern auf allen Ebenen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Es läuft wie nach allen Krisen: Kaum ist der Aufschwung in Andeutungen da, ist die Geschlossenheit und Entschlossenheit der Politik dahin. Einmal mehr endet ein wichtiger Gipfel damit, dass Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel ein Prestigeerfolg ermöglicht wird. Viele Industriestaaten müssen ihre überschuldeten Haushalte in Ordnung bringen. Das war - außerhalb der USA - schon zuvor allen klar. Jetzt wurde dieses Ziel mit einer willkürlichen Zahl versehen: Die Budgetdefizite sollen 2013 um die Hälfte zurückgefahren sein.
Dieser vermeintliche Meilenstein ist völlig irrelevant: Zum einen, weil diese Vorgabe von jenen Staaten, die ernsthaft sparen wollen, ohnehin übererfüllt wird. Und die anderen, darunter wohl die USA, juckt die Vorgabe nicht, weil sie weder bindend ist noch irgendwelche Sanktionen drohen. Es ist überdies absurd, einer Vielzahl von Staaten mit unterschiedlichem Entwicklungsstand und Konjunkturzyklus und mit völlig divergierenden Wirtschaftsstrukturen einheitliche Einsparungsziele abpressen zu wollen.
Was wäre wirklich wichtig gewesen? Eine Verständigung darüber, dass ein sicheres Finanzsystem nicht zum Nulltarif zu haben ist. Ein Konsens darüber, dass Umsätze aus Finanztransaktionen ebenso selbstverständlich besteuert werden sollten wie der sonstige Handel mit Waren aller Art. Eine Einigung darüber, dass es künftig inakzeptabel sein muss, dass Banken die Steuerzahler in Geiselhaft nehmen - und danach weitermachen wie zuvor.
Und was wurde in Toronto daraus? Die Reform der Finanzmärkte: Verschoben zumindest bis zum nächsten Gipfel, der im Herbst in Seoul stattfinden soll - wenn nicht überhaupt bis Sankt Nimmerlein.
Die Doha-Runde für den Welthandel, die den Entwicklungsländern faire Exportchancen auf den Märkten eröffnen soll, wird endgültig zur Farce: Jetzt gibt es überhaupt keine Terminvorgabe mehr. Stattdessen werden von den Mächtigen einmal mehr Almosen versprochen - dieses Mal soll die Mütter- und Kindersterblichkeit bekämpft werden. Dass von den 2005 zugesagten Geldern noch zig Milliarden ausständig sind, wird diskret verschwiegen.
Der Toronto-Gipfel sei der erste der G20 als "vorrangiges Forum für die neu etablierte internationale wirtschaftliche Kooperation" gewesen, steht hochtrabend in der Präambel. Tatsächlich war es das wohl prominentest besetzte Plauderstündchen der Welt.
Siehe auch:Niemand will den Banken wehtun