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Die Kronprinzen Europas lieben es bürgerlich

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Wenn der spanische Kronprinz Felipe morgen in der Madrider Almudena-Kathedrale mit seiner Verlobten Letizia Ortiz die Trauringe tauscht, setzt er einen Trend fort, der neuerdings an Europas Königshöfen Mode zu sein scheint: Die künftige Königin Spaniens ist wie schon die Frauen der Thronfolger Norwegens, der Niederlande und Dänemarks eine Bürgerliche, die vor ihrer Heirat eine solide Ausbildung und eine beachtliche berufliche Karriere absolviert hat.


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Ganz Spanien war überrascht, als der am 28. Jänner 1968 geborene Kronprinz Felipe Ende Oktober des Vorjahres bekannt gab, dass er die TV-Journalistin Letizia Ortiz heiraten werde, die er während eines Besuches nach der Prestige-Tankerkatastrophe in Galizien kennen gelernt hatte. Die Beziehung des Kronprinzen zu der am 15. September 1972 in Oviedo geborenen Journalistin des staatlichen spanischen TV-Senders TVE galt ein Jahr lang als das bestgehütete Geheimnis der iberischen Halbinsel.

Letizia Ortiz stammt aus einer Familie, die sich seit drei Generationen einen Namen im spanischen Journalismus gemacht hat. Ihre Großmutter väterlicherseits, Menchu Alvarez del Valle, war von den Fünfziger- bis in die Siebzigerjahre eine der bekanntesten Stimmen des Rundfunks in Asturien, ihr Vater Jesus Ortiz arbeitete für den Radiosender Antena 3 und Letizia selbst, die an der Madrider Universität ein Publizistikstudium absolviert hatte, war vor ihrer Karriere beim staatlichen Fernsehen u.a. bei CNN+ und im Auslandsressort der spanischen Nachrichtenagentur EFE beschäftigt.

Die zweite Ehe der Braut

Noch überraschender ist, dass sie schon einmal verheiratet war, mit einem Literaturprofessor. Da die Ehe aber nur standesamtlich und nicht kirchlich geschlossen worden war, steht der Heirat mit dem Thronfolger nicht im Wege. Die Zeiten, in denen der englische König Edward VIII. wegen seines Wunsches, die geschiedene Bürgerliche Wallis Simpson zu heiraten, abdanken musste, gehören dem finsteren 20. Jahrhundert an.

Und die Spanier sind begeistert von ihrer künftigen Königin. Dass das Kronprinzenpaar nach den Madrider Anschlägen vom 11. März auf den Polterabend verzichtet hat und auch darum bat, das von der Stadt Madrid geplante Konzert mit Montserrat Caballe und Placido Domingo ausfallen zu lassen und das dafür vorgesehene Geld für ein Denkmal für die Attentatsopfer zu verwenden, hat die Beliebtheit des ohnehin unumstrittenen Königshauses noch einmal gesteigert.

Wenn es nach den Vorstellungen der neuen spanischen Regierung geht, wird künftig - wie schon bisher in anderen europäischen Königshäusern - künftig in Spanien das erste Kind des Königs Thronfolger, auch wenn es ein Mädchen ist. Hätte diese Regelung schon bisher gegolten, so wäre Juan Carlos, der eine ältere Schwester hat, nicht König geworden und auch Felipe nicht.

Der erste im Reigen der derzeitigen europäischen Kronprinzen, der seine Zukünftige nicht aus den Reihen des Hochadels gekürt hat, war allerdings der norwegische Thronfolger Haakon (20. Juli 1973). Er konnte sich zwar auf seinen Vater, König Harald V. berufen, der als Kronprinz 1968 ebenfalls eine Bürgerliche, Sonja Haraldsen, zum Traualtar geführt hatte. Doch Haakons Wahl war nicht unumstritten, war Mette-Marit Tjessem Hoiby (19.8.1973) doch zuvor mit einem Mann aus dem Drogenmilieu liiert gewesen und hatte aus dieser Verbindung bereits einen Sohn. Mette-Marit hatte Ingenieurswesen, Publizistik und Ethik studiert und sich mit Gelegenheitsjobs als Fotomodell und Kellnerin den Lebensunterhalt verdient, bevor sie Lebensgefährten des Prinzen wurde, der sie am 25. August 2001 in Oslo ehelichte. Beim Hochzeitsfoto auf dem Balkon des Osloer Königsschlosses gab es eine Premiere: Der vierjährige Marius, Sohn der künftigen Königin, kam mit aufs Bild.

Probleme mit dem Schwiegervater

Nicht ganz unumstritten war auch die Wahl des niederländischen Thronfolgers Willem Alexander (27. April 1967), der am 2. Februar 2002 die Argentinierin Maxima Zorreguieta (17. Mai 1971) heiratete. Die Braut hatte in ihrer Heimat ein Wirtschaftssstudium absolviert und danach in New York bei der Dresdner Bank und bei der Deutschen Bank gearbeitet. Maxima, Tochter eines argentinischen Politikers, der in der Regierung des Diktators Jorge Videla Minister war, konnte zwar in Kürze die Herzen der Niederländer erobern, die Vergangenheit ihres Vaters blieb aber ein dunkler Fleck. Das niederländische Parlament machte seine Zustimmung zur Hochzeit des Thronfolgers von der Bedingung abhängig, dass Jorge Horacio Zorreguieta der Trauung fernbleibe. Nur sein Lieblingstango wurde bei der Trauungszeremonie in der Nieuwe Kerk gespielt und trieben der Braut und wohl auch vielen Zusehern vor den TV-Schirmen in aller Welt die Tränen in die Augen.

Acht Tage vor dem spanischen Thronfolger hat der dänische Kronprinz Frederik (28. Mai. 1968) in Kopenhagen die australische Juristin Mary Donaldson (5.Februar 1972) geheiratet, die er bei den Olympischen Spielen in Sidney kennen gelernt hatte. Donaldsons Eltern stammen aus Schottland.

Die Stammtafelzeichner der europäischen Königshäuser werden bei so viel "bürgerlichem" Zuwachs in nächster Zeit ganz schön ins Schwitzen kommen. Bisher war ihre Arbeit ja eher einfach, haben doch drei der Thronfolger, die seit der Jahrtausendwende bürgerliche Frauen geheiratet haben, gemeinsame Wurzeln. Haakon von Norwegen, Frederik von Dänemark und Felipe von Spanien sind Ururur-Enkel von Queen Victoria von Großbritannien, die einst wegen ihrer vielen Kinder und ihrer Heiratspolitik wie schon vor ihr Kaiserin Maria Theresia als Großmutter Europas bezeichnet wurde. Sie teilen sich ihre Ururur-Großmutter übrigens mit Kronprinzessin Victoria von Schweden und dem britischen Thronfolger Prinz Charles, der Queen Victoria nicht nur in der Ahnenreihe seiner Mutter, sondern auch in der des Vaters hat.