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FPÖ beharrt auf bloßer personeller Trennung zu Identitären - doch die haben kaum Mitglieder.
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Wien. Die Identitären sorgen in der sonst so harmonischen Bundesregierung für Dissonanz. Bundeskanzler Sebastian Kurz hat eine klare Trennung der FPÖ von den Rechtsextremen verlangt. Sein Vize Heinz-Christian Strache war zunächst bemüht, die nachweislichen Verstrickungen herunterzuspielen. Die Argumentationslinie der Freiheitlichen: Identitäre dürfen keine Funktionen bei der FPÖ bekleiden, dafür gebe es auch einen Parteibeschluss. Weiter geht die Definition der Freiheitlichen von "Distanz" nicht.
Die Sache hat aber einen Haken. Formal haben die Identitären nur wenige Mitglieder, die sich auf einen engen Kreis und wenige Vereine beschränken. Der Vereinsauszug der Hauptorganisation selbst weist nur ein einziges Mitglied aus, ihren Sprecher Martin Sellner. Er vertritt als Obmann den Verein alleine nach außen. Es gibt keinen Stellvertreter oder Schriftführer. Unterstützen lassen sich die Identitären auf ihrer Webseite nur durch Spenden. Eine formale Vereinsmitgliedschaft lässt sich dort nicht abschließen.
Das Konzept der "Bewegung" sei genau so geplant worden, sagt der Rechtsextremismusexperte des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands, Andreas Peham. "Das ist eine alte Strategie: Alle machen mit, niemand ist verantwortlich." Peham kommt auf sieben bis acht Mitglieder, darunter seien keine FPÖ-Politiker. Das ist deutlich weniger als die von den Identitären kolportierten 300 Unterstützer.
Unterschiedliche Vorstöße
Es ist also eine äußerst vage Distanz, die Strache seinem Koalitionspartner hier schmackhaft machen will. Die Frage ist, ob das Kurz reicht, der keinen "schwammigen Umgang mit den rechtsextremen Identitären" duldet und diese am Mittwoch als "widerlich" bezeichnete. Die ÖVP ist dabei, diese Grenze für sich auszuloten, wenn die nachweisbaren Verstrickungen bestehen bleiben. Nur wie, ohne die Koalition damit zu gefährden? Diese Frage lässt dieser Tage viele im Kanzleramt ratlos zurück, die Kurz nahestehen.
Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) zeigte am Donnerstag auf Druck eine Reaktion. Zuvor war bekannt geworden, dass Sperrvermerke für Identitäre und ihre Unterstützer beim Bundesheer gelockert wurden. Laut Peter Pilz (Jetzt) waren 56 Milizsoldaten betroffen. Nach einem Gespräch mit Kurz nahm Kunasek die Sperre prompt wieder auf.
Im Widerspruch zur raschen Intervention des Kanzlers bei Kunasek steht eine Aussage von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), der bei der FPÖ in Sachen Abgrenzung zu den Identitären eine "klare Haltung" sieht.
Wie heikel die Sache für die ÖVP ist, beweist ein Blick in die Bundesländer. Dort wird nur darauf verwiesen, dass "mit Argusaugen" darauf geachtet werde, ob die Freiheitlichen die Trennlinie zu den Identitären wirklich setzen oder nicht. Darüber hinaus gab es kein Statement, ob die vage Distanz der Freiheitlichen ausreiche. Wesentlich klarer wurde nur der steirische ÖVP-Landesparteigeschäftsführer Detlev Eisel-Eiselsberg, der sich von den Aussagen des Grazer Vizebürgermeisters und dortigen FPÖ-Chefs Mario Eustacchio irritiert zeigte.
Es brodelt in der Steiermark
Eustacchio sind die Identitären nicht fremd. Er war 2015 Teilnehmer einer identitären Demonstration im steirischen Grenzort Spielfeld, im Vorjahr war er als Redner beim rechtsextremen Kongress "Verteidiger Europas".
Eustacchio will sich von den Identitären explizit nicht distanzieren. "Es ist ja niemand verurteilt." Wenig verwunderlich ist daher, dass der Grazer Gemeinderat Heinrich Sickl im Amt bleibt. Er vermietet an die Identitären in Graz Räumlichkeiten für deren Hauptsitz, auf Demos der Identitären ist er auch mitmarschiert.
Der steirische ÖVP-Landeschef Eisel-Eiselsberg verlangte nach Eustacchios Statements, dass der steirische FPÖ-Chef, Verteidigungsminister Kunasek, "einschreitet und endlich reinen Tisch macht". Täglich würden neue freiheitlich-identitäre Verstrickungen ans Licht kommen. Er frage sich, wo die klare Abgrenzung bleibe, von der Strache behaupte, dass es sie bereits gebe.
Im Büro des Grazer Bürgermeisters Siegfried Nagl (ÖVP) sieht man Eustacchios Aussagen lockerer. Man arbeite gut zusammen. Eustacchio und Sickl seien im Gemeinderat nicht negativ aufgefallen. Angesprochen auf Kurz’ Distanz-Forderung beharrt man im Grazer Rathaus auf den Unterschied zwischen Bund- und Stadtpolitik. Im Bund arbeite man gesetzgebend. In Graz gehe es um "Wasser, Kanal und Strom".