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Die Krux mit der Kürzung der Sozialhilfe

Von Jan Michael Marchart

Politik
Flüchtlinge, die in Oberösterreich Integrationsmaßnahmen wie Deutschkurse nicht absolvieren, verlieren Anspruch Sozialleistungen.

"Kernleistungen" bei subsidiärem Schutz rechtens. Zentrale Frage ungeklärt.


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Wien. "Kürzung der Mindestsicherung verstößt nicht gegen EU-Recht" oder "Sozialgeld-Kürzung ist rechtens" hieß es am Freitag in einigen Zeitungen. Die Titel bezogen sich auf die gekürzte Mindestsicherung für Flüchtlinge in Oberösterreich. Meist wurde erst in den Texten klargestellt, dass sich die Entscheidung des zuständigen Landesverwaltungsgerichts (LVG) auf subsidiär Schutzberechtigte bezieht, also auf Flüchtlinge mit befristeter Aufenthaltsberechtigung. Dass die Beschränkung für jene Personen auf "Kernleistungen" rechtlich zulässig ist, deckt die EU-Judikatur und wurde bisher von keinem Experten angezweifelt. Die Krux mit dem Oberösterreich-Modell ist eine andere.

Nicht ganz ein Jahr ist es her, dass die schwarz-blaue Landesregierung in Oberösterreich die Mindestsicherung für Flüchtlinge halbierte. Statt bisher 914 Euro monatlich werden 520 Euro ausbezahlt. Wer Integrationsmaßnahmen wie Deutschkurse nicht absolviert, muss auf weitere 155 Euro verzichten. Die Verschärfungen betreffen Asylberechtigte wie subsidiär Schutzberechtigte.

Rechtliches Hasardspiel

Für eine Personengruppe dürften die Verschärfungen laut einem Gutachten der beiden Salzburger Sozial- und Verfassungsrechtsexperten Walter Pfeil und Reinhard Klaushofer rechtmäßig sein: subsidiär Schutzberechtigte. Deren Asylantrag wurde zwar abgelehnt, ihr Leben oder ihre Gesundheit wird im Herkunftsland aber bedroht. "Im Hinblick auf subsidiär Schutzberechtigte scheinen dagegen weder völker- oder unionsrechtliche noch verfassungsrechtliche Bedenken gegen die geplanten Verschärfungen aussichtsreich", heißt es in dem Gutachten. Zu diesem Schluss kam am Donnerstag auch das LVG Oberösterreich, nachdem ein Betroffener Beschwerde eingereicht hatte.

Unklar bleibt, ob die Kürzung der Sozialhilfe für Asylberechtigte ohne beschränkte Aufenthaltsdauer rechtens ist. Diese Frage müsste "neuerlich beurteilt werden", heißt es aus dem LVG.

Die oberösterreichische Landesregierung argumentiert, dass die Kürzung nur für befristete Asylberechtigte (Asyl auf Zeit) gilt. Das sind seit November 2015 alle Asylberechtigten, die eigentlich einen unbefristeten Aufenthaltstitel hätten. Der Gutachter Pfeil sagte in dieser Zeitung, dass das EU-Recht eine solche Differenzierung nicht kennt und Asyl auf Zeit nach internationalem Recht nicht gedeckt wäre. Aus seiner Sicht hätten jene Personen Anspruch auf die volle Mindestsicherung. Beschwerden darüber liegen dem LVG allerdings noch keine vor.