)
Die Stagnation in der SPÖ sorgt nach der Wahl für Rufe nach mehr Glaubwürdigkeit und Erneuerung.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Sie steht hinter einem Zaun und traut sich nicht hinaus. Obwohl der Zaun Löcher hat, starrt die Kuh träge vor sich hin und bricht nicht in die Freiheit aus. Das Bild kommt von Julia Herr, seit drei Wochen Vorsitzende der Sozialistischen Jugend: Sie sieht die SPÖ als Kuh, die nicht aus dem durch die Krisen der vergangenen Jahre brüchig gewordenen Gefängnis des Neoliberalismus ausbrechen kann.
In der SPÖ ist man zwar sichtlich bemüht, das Wahlergebnis vom Sonntag als Erfolg hinzustellen - immerhin konnte man mit 24,1 Prozent der Stimmen den Anteil aus 2009 (23,7) souverän halten. Doch die Realität hätte anders aussehen müssen: 2009 waren die Sozialdemokraten durch den wie Phönix aus der Asche erstarkten Hans-Peter Martin massiv abgestürzt - heuer hätte man zumindest ein paar Stimmen zurückerobern müssen. Von dem Anspruch auf Platz eins ist man in einigen Gegenden weiter weg denn je: In der Steiermark etwa verlor die SPÖ 1,4 Prozentpunkte und fiel wegen der starken Zuwächse der FPÖ gar auf Platz drei zurück. In Wien konnten die Sozialdemokraten zwar ihren ersten Platz verteidigen, die Verluste aus 2009 haben sich aber eingebrannt - in kaum einem Bezirk konnte die SPÖ Stimmen gutmachen (siehe Grafik).
Das Ergebnis vom Sonntag ist das vorerst letzte einer langen Reihe der Verluste und der Stagnation für die SPÖ - vor allem in Hinblick auf die so wichtigen Landtagswahlen in Wien und der Steiermark 2015 wird man sich eine neue Strategie überlegen müssen, um die Kernwähler wieder zu mobilisieren. "Die SPÖ hat ein Glaubwürdigkeitsproblem, weil man ihr einfach nicht abgekauft hat, dass sie eine Alternative ist", sagt Herr. So hätten die Wähler es der SPÖ einfach nicht abgenommen, dass sie kurz vor der Wahl das "Spardiktat" kritisierte, wo sie doch selbst dem Fiskalpakt zugestimmt hatte. "Die Konsequenz der EU-Wahl muss heißen: Weg von der Austeritätspolitik. Die Sozialdemokraten müssen auf europäischer Ebene mit der Sparlogik brechen", meint die SJ-Vorsitzende.
Murren an der Basis: Von Minderheitsregierung . . .
Innenpolitisch appelliert Herr an die Parteispitze, "wieder Politik für die Kernwählerschaft zu machen und nicht mit der ÖVP um das kleinbürgerliche Unternehmertum zu rittern". Sie kann sich Koalitionsbruch vorstellen. "Die SPÖ soll andenken, die große Koalition zu verlassen. Mit einer Minderheitsregierung und freiem Spiel der Kräfte hätte sie kein Glaubwürdigkeitsproblem mehr."
Ähnlich beurteilt das Herrs Amtsvorgänger an der SJ-Spitze, Wolfgang Moitzi. Auch er sieht die klassischen Kernwählerschichten zunehmend schwinden. "Die Arbeiter, jungen Männer und Lehrlinge verlieren das Vertrauen", analysiert er. Das Mobilisierungsproblem könne beseitigt werden, wenn sich die Menschen wieder vertreten fühlen. Der taufrische Budgetbeschluss hingegen sei ein Paradebeispiel dafür, "wie man es nicht machen sollte".
Durch die engen EU-politischen Vorgaben seien in Zeiten der Rekordarbeitslosigkeit arbeitsmarktpolitische Maßnahmen nahezu unmöglich. Genauso habe die SPÖ den Ausbau der Ganztagsschule und die Wohnbauoffensive "auf dem Budgettisch geopfert" und dadurch die Wähler verhöhnt. Neben der Rückkehr zu den sozialdemokratischen Kernthemen plädiert Moitzi für ein neues Parteiprogramm sowie für mehr Mitbestimmungsrechte der einfachen Parteimitglieder.
Wie Moitzi stört auch den Abgeordneten und Chef der Gewerkschaft Bau-Holz, Josef Muchitsch, dass das Wahlergebnis jetzt "schöngeredet" wird. "Mir ist weder zum Jubeln noch zum Feiern zumute", sagt er zur "Wiener Zeitung". Und: Man könne nicht zur Tagesordnung übergehen, es brauche echte Erneuerung.
. . . bis zu Rücktrittsaufruf reichen die Forderungen
"Und wenn einer das nicht schnallt, dann muss er gehen", meint Muchitsch - ohne, wie er betont, eine bestimmte Person zum Rücktritt aufzufordern. Er wünscht sich in erster Linie Maßnahmen zu Entlastung des Faktors Arbeit. Auch Moitzi plädiert für Vermögenssteuern.
Zufriedener ist Jungmandatarin Daniela Holzinger: Die Oberösterreicherin freut sich darüber, dass man das Mandat für ihren Landsmann Josef Weidenholzer, der auf dem wackeligen fünften Listenplatz gereiht war, halten konnte. Zum Gesamtergebnis sagt sie: "Man wird Schlüsse ziehen müssen - ob personelle oder inhaltliche, wird man noch sehen."
Welche Schlüsse die Partei zieht, ist unklar. Nach dem Präsidium am Montag schien die Welt wieder in Ordnung zu sein. Weder an Spitzenkandidat Eugen Freund noch an Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos habe es Kritik gegeben, meinte Parteichef Werner Faymann. Mal sehen, was nun mit Herrs Kuh passiert.