Das kommende Jahr verspricht in politischer Hinsicht einiges an Spannung: Bis zu sieben Wahlgänge auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene scheinen 2003 möglich. Unumstrittener Höhepunkt dabei: Die wohl im Herbst stattfindenden Nationalratswahlen. Kein Wunder, dass jeder danach trachtet, den Wahlkalender 2003 nach seinen Vorlieben zu gestalten.
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Tony Blair hat es gut: Ihn bindet kein fixer Wahltermin - er selbst bestimmt den Zeitpunkt von Neuwahlen nach Maßgabe seiner eigenen Interessen. In Österreich hat die Regierung keine Möglichkeit, den Wahltag nach eigenem Belieben festzulegen. Hier bestimmt Absatz 2 des Artikels 27 des Bundes-Verfassungsgesetzes: "Der neugewählte Nationalrat ist vom Bundespräsidenten längstens innerhalb dreißig Tagen nach der Wahl einzuberufen. Diese ist von der Bundesregierung so anzuordnen, dass der neugewählte Nationalrat am Tag nach dem Ablauf des vierten Jahres der Gesetzgebungsperiode zusammentreten kann."
Dazu kommt, dass hierzulande vorgezogene Neuwahlen, egal ob auf Bundes- oder Landesebene, für den, der sie beschließt, ein erhebliches politisches Risiko darstellen. Die hiesigen Wähler lieben es nicht, vor der Zeit zu den Urnen gerufen zu werden. Tatsächlich hat sich bis heute noch jeder Ungeduldige, den Missmut des Souveräns zugezogen. Allerdings bestätigen zwei bemerkenswerte Ausnahmen diese scheinbar eherne Regel: Zum einen Bruno Kreiskys Meisterstück, als er als Kanzler einer von der FPÖ tolerierten Minderheitsregierung 1971 nach einer FP-freundlichen Wahlrechtsreform Neuwahlen ansetzte und die absolute Mehrheit errang; zum anderen die Wiener SPÖ, die im letzten Jahr ebenfalls mit der absoluten Mehrheit für Neuwahlen belohnt wurde. In Wien gelang es der SPÖ, Neuwahlen solange als Möglichkeit in den Raum zu stellen, dass deren Beschluss von Bürgern wie Medien schließlich fast schon als befreiend von erdrückender Last empfunden wurde.
Solche Ausnahmen verlocken natürlich geradezu, das Wahlglück durch die richtige Terminwahl zu zwingen. Selten jedoch lassen sich sämtliche Variablen als Fixgrößen in die eigene Strategie miteinbeziehen: Zu unwägbar ist, was gemeinhin über Sieg und Niederlage bei Wahlen entscheidet.
Für Österreichs Wähler und Parteien steht 2003 ein Großwahljahr an. Schon im kommenden Herbst gibt es mit den burgenländischen Gemeinderatswahlen einen ersten, allerdings noch verhältnismäßig unspektakulären Vorgeschmack auf das kommende Wahljahr.
Den Auftakt 2003 bildet Graz, wo am 26. Jänner ein neuer Gemeinderat gewählt wird. Dabei geht es um die Nachfolge von Langzeit-Bürgermeister Alfred Stingl (SP). Ins Frühjahr fallen sodann die niederösterreichischen Landtagswahlen. Hier wird Landeshauptmann Erwin Pröll sehr nachdrücklich Wert darauf legen, in gebührendem zeitlichen Abstand zur Nationalratswahl um seine Wiederwahl kämpfen zu können. Ein Verwischen der Wahlentscheidung von Landtags- und Nationalratswahl fürchten die Landeshauptmänner ähnlich, wie sonst wohl nur noch der Teufel das Weihwasser. Dabei hat in Niederösterreich die ÖVP gute Karten, befinden sich doch Sozialdemokraten und Freiheitliche im Land seit Jahren im Umfragetief. Zur Herausforderin Nr. 1 könnte da leicht Madeleine Petrovic avancieren: Die langjährige Grüne Spitzenpolitikerin wurde von ihrer Partei vor kurzem zur Spitzenkandidatin für die Landtagswahlen gewählt.
Der Wunsch nach gebührender Distanz zwischen Landtags- und Nationalratswahlen wird gerne mit dem Schicksal des Steirers Josef Krainer Junior unterlegt. Er legte 1995 Landtags- und Nationalratswahlen auf den selben Tag. Um Haaresbreite hätte die ÖVP damals den Landeshauptmann an die SPÖ verloren. Dafür allerdings einzig die Bundespolitik verantwortlich zu machen, griffe sicherlich zu kurz. Die steirische ÖVP war in jener Zeit selbst personell wie inhaltlich ausgezehrt.
Dass im Oktober Oberösterreich Landtag und Gemeinderäte - voraussichtlich nach den Nationalratswahlen, die wohl auf den 28. September fallen - gleichzeitig wählt, könnte Sinn machen. Zumindest für die ÖVP. Eine solche Zusammenlegung wirkt oft Wunder für die Motivation an der Basis. Vom Kampf um das sprichwörtliche "eigene Leiberl" der unzähligen Gemeindemandatare profitiert auch die Landespartei. Hier wie in Niederösterreich wird wohl das Verhältnis zum nördlichen Nachbarn Tschechien eine wesentliche Rolle im Wahlkampf spielen. Die Themen reichen dabei von den Benes-Dekreten, über Temelìn bis zur EU-Erweiterung.
Möglich, dass auch Kärnten schon 2003 wählt. Landeshauptmann Jörg Haider könnte "seine" Landtagswahlen auf das Frühjahr vorverlegen, um so seiner Bundespartei Rückenwind für die Nationalratswahlen zu verschaffen. Die Strategie hat aus Sicht der FPÖ sicherlich Charme, ist jedoch nicht ohne Risiko.
Hinweise auf Wahlen im Frühjahr 2003 gibt es auch in Tirol. Hier hat die ÖVP ihre Agonie überwunden und mit dem Innsbrucker Bürgermeister Herwig Van Staa einen Spitzenkandidaten, dem viel zuzutrauen ist - bis hin zur absoluten Mehrheit. SPÖ und FPÖ haben einen solchen Befreiungsschlag im "heiligen Land" noch vor sich.
Die letzten Wahlgänge in der Steiermark, dem Burgenland und Wien zeigten, wie Landtagswahlen Stimmungslagen im Bund prägen. Gut möglich also, dass mancher der Versuchung erliegt, das eigene Glück zu schmieden. Eines sollte jedoch den Bundesparteien klar sein: Wer im Frühjahr wählt, wird im Herbst wohl kaum mit letzter Kraft wahlkämpfen.