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Die Kunst, effektiv zu leben

Von Alexandra Grass

Wissen
Der Lystrosaurus scheint ein besonders zäher Vorfahre der heutigen Säugetiere gewesen zu sein.
© Fotolia/Andreas Meyer

Manche Überlebende des Massensterbens vor 250 Millionen Jahren haben wesentliche Veränderungen erfahren.


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Salt LakeCity/Wien. Vor etwa mehr als 250 Millionen Jahren führte eine Ausbruchsserie sibirischer Vulkane zum bisher größten Massensterben auf der Erde. Infolge des Ausbruchs bedeckten große Mengen basaltischer Lava eine riesige Fläche des urzeitlichen Sibiriens. Dabei waren Milliarden Tonnen an Kohlenstoff in die Atmosphäre geschleudert worden, die das Klima auf der Erde radikal veränderten. Doch manche Tiere blühten nach diesem Ereignis dennoch auf und Wissenschafter scheinen nun auch zu wissen warum.

Die damals lebenden entfernten Verwandten heutiger Säugetiere, bekannt als die Therapsiden, hätten sich an diesen drastischen Klimawandel angepasst, indem sie zwar Einbußen in ihrer Lebenserwartung hinnehmen mussten, dennoch im Gegensatz zu ihren Vorgängern eine Beständigkeit an den Tag legten, indem sie ihren Nachwuchs in jüngeren Jahren, nämlich früher als zuvor, zur Welt brachten.

Knochen klären auf

Das Forscherteam um den Paläontologen Adam Huttenlocker von der University of Utah studierte für seine Analyse die Wachstumsmuster von Therapsiden, deren Fossile im südafrikanischen Karoo-Becken gefunden worden waren. An dieser signifikanten Fundstelle hatten Wissenschafter schon Fossilien von 300 bis 180 Millionen Jahren vor unserer Zeit entdeckt.

An der Mikrostruktur der Knochen konnten Huttenlocker und seine Kollegen jene Wachstumsmuster ablesen, die in der Zeit des Massensterbens entstanden waren. Sie verglichen Fossilien der Erdzeitalter Perm und Trias miteinander, dabei etwa die Körpergrößenverteilungen. So war es möglich, Größenunterschiede und die Überlebensraten zu interpretieren.

Besondere Aufmerksamkeit richteten die Paläontologen auf den Lystrosaurus, einem recht stämmig gebauten, Schwein-ähnlichen Tier. Es hatte als eines der Wenigen das besonders mächtige Massensterben erfolgreich überlebt. "Therapsiden-Fossile wie der Lystrosaurus sind wichtig, weil sie uns auch etwas über die Widerstandsfähigkeit unserer eigenen ausgestorbenen Vorfahren in solch turbulenten Zeiten verraten. Dies gibt auch Hinweise darauf, welche Eigenschaften für den diesbezüglichen Erfolg verantwortlich zeichnen", betont Huttenlocker im Fachblatt "Scientific Reports".

Vor dem Perm-Trias-Sterben hatte der berühmte Therapside eine Lebensspanne von 13 bis 14 Jahren, berichtet Ken Angielczyk vom Field Museum. Danach waren es laut den Forschern hingegen nur noch zwei bis drei Jahre. Das bedeutet, dass sich die Tiere außerordentlich früh fortgepflanzt haben müssen.

Diese Anpassung bedeutete auch eine physikalische Veränderung. War der Lystrosaurus vor dem Ereignis noch in der Größe eines Zwergflusspferdes anzutreffen, "schrumpfte" seine Körpergröße danach, entsprechend der veränderten Lebensspanne, auf die eines Hundes. Simulationen zeigen, dass die Überlebenschance der Tiere angesichts der widrigen Umstände durch das frühere Gebären auf 40 Prozent stieg.

Beispiele der Gegenwart

Solche Anpassungen gehören übrigens nicht nur der Vergangenheit an. Auch der atlantische Kabeljau hat aufgrund von menschlichem Einfluss im letzten Jahrhundert seine Körpergröße reduziert. Durch den industriellen Fischfang waren die größten Individuen der Population abhanden gekommen, die Durchschnittsgröße der Fische verringerte sich dadurch. Die verbleibenden Individuen waren daher gezwungen, sich so früh wie möglich fortzupflanzen. Ähnliche Veränderungen wurden auch afrikanischen Großechsen zuteil, die vom Menschen erbeutet wurden, heißt es in der Studie.

"Paläontologische Forschung trägt zum Verständnis der Welt um uns herum bei", erklärt Angielczyk im Fachblatt. "Beim Studium von Tieren wie dem Lystrosaurus angesichts des Desasters, können wir besser voraussagen, wie sich heute schon abzeichnende umweltbedingte Veränderungen auf die moderne Spezies auswirken könnten."

Im Laufe der Erdgeschichte ist es zu fünf großen Massensterben gekommen. Das Perm-Trias-Sterben vor mehr als 250 Millionen Jahren war die katastrophalste Ausrottung des Phanerozoikums, dem "Zeitalter des sichtbaren Lebens". 80 bis 96 Prozent der gesamten Wassertierwelt und 70 Prozent der Landtiere waren ihm zum Opfer gefallen. Die Ökosysteme hatten sich auch fünf Millionen Jahre nach dem Ereignis noch nicht vollständig erholt.

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