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Der Schock sitzt tief: Brendan G. Carroll, Spezialist für die Werke des österreichischen Komponisten Erich Wolfgang Korngold, wurde wegen Kinderpornografie in Liverpool zu 32 Monaten Haft verurteilt.
Der Fall ist widerlich, für die Musikgeschichte aber nicht so arg, wie er klingt, denn Carroll besitzt kein exklusives Material, und wer Korngold aufführen will, wird auch weiterhin nicht gezwungen sein, einem Verurteilten die Hand schütteln zu müssen.
Andererseits: Wann hat denn die Kunst jemals Moral gekannt? Legte man moralische Maßstäbe an, gingen zahllos Meisterwerke verloren, von den Bildern des Mörders Caravaggio über die Madrigale des Doppelmörders Carlo Gesualdo da Venosa und die Kompositionen des Kinderschänders Johann Rosenmüller bis hin zu den Werken des Betrügers und Veruntreuers Richard Wagner. Wo kämen wir hin, tilgten wir Paul Verlaine wegen seines Mordversuchs an Arthur Rimbaud aus der Literaturgeschichte und setzten die Opern des einzigen Komponisten, der sich nach 1945 weltweit im Repertoire behaupten konnte, ab, weil Benjamin Britten seine pädophilen Neigungen nicht völlig zu unterdrücken vermochte? (Und ja: Einige seiner Opern befassen sich mit genau dieser Thematik.)
Es wäre schön, wären die verehrte Künstler auch immer verehrungswürdige Charaktere. So aber ist es nicht, und so war es nie. Nur wurden früher die unangenehmen biografischen Wahrheiten verschwiegen. Für manche wird möglicherweise die Kunst mitunter gerade durch die Abgründe einiger ihrer Repräsentanten so spannend.