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Die Kupon-Revolution im Internet

Von Peter Muzik

Wirtschaft
Der Online-Gutschein-Markt in Österreich ist hart umkämpft: Neben Marktführer Groupon bieten Portale wie DailyDeal, Dealhamster (oben, von links), Coole Deals, Preisjäger und Gutschein-King Schnäppchen an (unten). Foto: screenshots

25 Millionen Nutzer bringen Groupon 600 Millionen Dollar. | Keine andere Internetfirma wächst laut "Forbes" rascher. | Yahoo und Google blitzten bereits mit Angeboten für Beteiligungen ab. | Eine Mittelmeer-Kreuzfahrt zum halben Preis, ein fünftägiger Golf-Urlaub für zwei Personen um 439 Euro, ein Yoga-Kurs mit 64 Prozent Rabatt oder ein um 50 Prozent ermäßigtes Abendessen im Thai-Restaurant: Mit derartigen Diskontangeboten wurden kürzlich in Wien wohnende Internetnutzer umworben, die Stammgäste auf der Internetseite www.groupon.at sind.


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Zur selben Zeit waren auf dieser Seite für 27 weitere Städte völlig andere Online-Schnäppchen zu ergattern. Die österreichweite Sparmania hat vor allem jüngere Städter und überwiegend weibliche Rabattjäger erfasst, die häufig noch studieren und großteils Singles sind.

Das Phänomen ist ein Paradebeispiel für den sogenannten Dot-Com-Boom: Groupon, im November 2008 vom damals 28-jährigen Andrew Mason in Chicago gegründet, ist eine jener Internet-Raketen, die praktisch über Nacht einen spektakulären Aufstieg geschafft haben. Laut "Forbes"-Magazin ist Groupon sogar das am raschesten wachsende Web-2.0-Unternehmen - und drauf und dran, so wie die sozialen Netzwerke Facebook oder Twitter das Internet grundlegend zu erneuern und die Vorlieben sowie das Verhalten von Millionen Nutzern radikal zu verändern.

Die einstige Sieben-Mann-Firma, die von reichen Privatinvestoren, professionellen Risikokapitalgebern und Großbanken mit dem nötigen Geld ausgestattet wurde, hat sich blitzartig zu einem Konzern mit mehr als 5000 Mitarbeitern verwandelt, der in weltweit 44 Staaten präsent ist. Dieser hat mit einem relativ simplen Geschäftsmodell eine veritable Einkaufs-Revolution eingeleitet: Groupon bietet in rund 800 Städten jeweils einen Deal des Tages an, vor allem in den Bereichen Essen und Trinken, Lifestyle und Internethandel. Wenn sich genug Kaufwillige melden, kommt die Sache zu Stande, wenn nicht, wird sie wieder abgeblasen.

Die unschlagbaren Preise - die Nachlässe beginnen in der Regel bei 50 Prozent - machen zum einen weltweit immer mehr Nutzer glücklich, die sich laut Groupon-Angaben bisher schon 800 Millionen Euro ersparen konnten. Auch die meisten Geschäftspartner, die mit den Rabatt-Angeboten auch via Facebook & Co. zu neuen Kunden gelangen, zahlen die meist 50 Prozent Provision an Groupon gerne, weil sie dafür die Kosten für herkömmliche Marketingmaßnahmen einsparen können - und häufig eine große Schar an Kunden anlocken: Ein Steakhaus in Köln beispielsweise durfte sich über 1594 Gäste freuen, die mit elf Euro den halben Preis zahlten.

Auch in Österreichklarer Marktführer

In Österreich ist Groupon mit mehr als 20 Mitarbeitern vertreten und eindeutiger Marktführer. Das Unternehmen hieß früher City Deal und wird seit Mai 2010 von Berlin aus geleitet. Die Plattform zählt bereits 500.000 registrierte Nutzer und hat schon mit tausend rot-weiß-roten Partnerfirmen zusammengearbeitet. Laut Geschäftsführer Daniel P. Glasner zeichnen sich österreichische Kunden durch einen vergleichsweise "hohen Qualitätsanspruch" und "das stark ausgeprägte Bedürfnis nach Abwechslung" aus.

Der 30-jährige Andrew Mason hat das Schnäppchen-Portal Groupon von einer Firma mit sieben Mitarbeitern zu einem Unternehmen mit mehr als 5000 Mitarbeitern gemacht, das in 44 Ländern weltweit präsent ist. Foto: ap

Schärfster Rivale ist mit derzeit zwölf Mitarbeitern DailyDeal, dessen Geschäftsführer Markus Pichler hierzulande rund 20 Städte beackert und auch nach Berlin berichtet. Dort befindet sich die Unternehmenszentrale des weltweit in 29 Ländern vertretenen Gutschein-Spezialisten.

Die restlichen Mitbe werber im Kupongeschäft wie www.dealhamster.com, www.preisjaeger.at oder www.meinonlinegutschein.at rangieren unter ferner liefen. Groupon-Chef Glasner: "Es gibt in Österreich wie überall viele Klone von Groupon. Wir nehmen alle ernst, aber meistens verschwinden sie sehr schnell wieder."

Trotz zahlloser Nachahmer in aller Welt (siehe Kasten) hat Groupon-Erfinder Andrew Mason im vergangenen Jahr dermaßen Furore gemacht, dass er bereits in einem Atemzug mit Facebook-Chef Marc Zuckerberg genannt wird. Hatte Groupon vor einem Jahr 1,5 Millionen registrierte Nutzer, so sind es mittlerweile bereits mehr als 25 Millionen weltweit - und bis dato wurden ebenso viele Gutscheine verkauft. Die Umsatzschätzungen belaufen sich auf 500 bis 600 Millionen Dollar, manche Quellen glauben schon an zwei Milliarden.

Ein Russe zählt zu dengrößten Geldgebern

Zu den wichtigsten Geldgebern des eindeutig größten Social-Commerce-Spezialisten der USA zählt Digital Sky Technologies, die Investmentfirma des Russen Yuri Milner. Sie hält auch an Facebook und am Spieleanbieter Zynga Anteile und hat Groupon im April 2010 mit 135 Millionen Dollar unter die Arme gegriffen.

Nachdem Yahoo beim Versuch, sich zu beteiligen, abgeblitzt ist, trat im Herbst des Vorjahres Google auf den Plan: Der Suchmaschinen-Gigant bot sechs Milliarden Dollar, um seine lokalen Werbemärkte noch besser bearbeiten zu können. Obwohl die Groupon-Mitgründer Brad Keywell und Eric Lefkofsky etwa 600 Millionen bzw. 1,8 Milliarden Dollar bekommen hätten, winkte Mason Anfang Dezember ab, weil er den Coup nicht für mit den amerikanischen Kartellregeln vereinbar hielt. Außerdem wollte er sich von Google nichts hineinreden lassen.

Der 30-Jährige trieb den Firmenwert damit jedenfalls in atemberaubende Dimensionen und sorgte - so wie Facebook-Chef Zuckerberg - für Börsenfantasien. Vorerst halfen ihm ein paar Geldgeber, die Expansion voranzutreiben und laufend Klons aufzukaufen: Die Investmentfirmen Kleiner Perkins Caufiels & Byers, Greylock Partners sowie Andreessen Horowitz haben Mason Anfang Jänner mit Wagniskapital im Ausmaß von 950 Millionen Dollar versorgt. Der Börsengang von Groupon wird wohl dennoch nicht mehr lange auf sich warten lassen: Er soll rund 15 Milliarden Dollar einspielen.

Gutschein-Boom

Das Gutscheingeschäft boomt: Der Weltmarktführer Groupon, der in den USA Rivalen wie LivingSocial, BuyWithMe, Jasmere oder GroopSwoop gut im Griff hat, wird laufend nachgeahmt. Weltweit gibt es bereits weit mehr als 500 ähnliche Seiten, die das Geschäftsmodell übernommen haben. 40 davon, oft nur von regionaler Bedeutung, spielen in den Staaten allerdings nur eine untergeordnete Rolle.

In China, wo Groupon erst kürzlich eine Kooperation mit Tencent einging, gibt es 100 Klone. Groupon muss dort unter Gaopeng.com auftreten, weil der eigene Name schon verwendet wurde. Nummer eins ist Ju.Taobao.com mit 75 Millionen Besuchern pro Monat. In Malaysia sind rund 35 Nachahmer am Werk, darunter Hahah, Coopun oder MadnessDeal, und in Indonesien tummeln sich bereits 23 Nachahmer.

In Europa schießen derartige Seiten wie die Pilze aus dem Boden, und in Kanada, Australien oder Neuseeland gibt es ebenfalls mehrere Anbieter.

Groupon hat etliche Rivalen aufgekauft, darunter MyCityDeal in Deutschland. Das Unternehmen hat seinen Aktionsradius im Februar mit dem Erwerb der russischen Firma Darberry und des südafrikanischen Klons Twangoo erneut ausgeweitet.

Doch immer mehr Giganten versuchen auf den fahrenden Zug aufzuspringen: Amazon etwa hat sich mit 175 Millionen Dollar an der Nummer zwei, LivingSocial in Washington, beteiligt. Yahoo wiederum sicherte sich das australische Coupon-Portal Spreets, und Ebay gründete auf den Philippinen Kuponan. Google startete prompt Google Offers, als die geplante Übernahme von Groupon platzte, und die "New York Times" will demnächst mit TimesLimited ebenfalls eine Groupon-Kopie ins Rennen schicken.