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Die Lady trägt nun blau

Von Alexander Maurer

Politik

City-Vorsteherin Ursula Stenzel kandidiert für die kommende Wien-Wahl zwar unabhängig, aber auf blauem Listenplatz.


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Wien. Die Freiheitlichen hatten am Dienstag die Überraschung etwas zu früh auffliegen lassen. Bereits um acht Uhr kündigten sie in einer Presseaussendung an, was eineinhalb Stunden später offiziell gemacht wurde: Ursula Stenzel, Bezirksvorsteherin der Innenstadt, wird bei der kommenden Wien Wahl als unabhängige Kandidatin für Bezirk und Gemeinderat auftreten - aber auf der blauen Liste.

"Politische Begegnungszone"

Der Entschluss wurde auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache groß als "politische Begegnungszone" und damit als Seitenhieb auf die rot-grüne Verkehrspolitik inszeniert. Eine "Begegnungszone in der Inneren Stadt" war auch das ursprünglich kolportierte Thema von Stenzels Pressetermin.

Stenzel, die zuletzt einstimmig von der Bezirks-ÖVP als Spitzenkandidatin für die Innere Stadt abgelehnt wurde, betonte, dass ihre Entscheidung nicht aus "persönlichen Ressentiments", sondern politischer Überlegung geschehen sei. Sie sehe sich in "guter Gesellschaft" und zählte von Bruno Kreisky über Fred Sinowatz bis Hans Niessl Politiker auf, die mit der FPÖ zusammengearbeitet hatten. Sie sehe ihre Kandidatur auch als Schritt, die rot-grüne Mehrheit in Wien zu brechen, bekräftigte aber, ihre politische Agenda trotz blauem Listenplatz nicht zu ändern. Vorwürfe, nur am "Machterhalt" interessiert zu sein, tat sie lachend ab - "als Bezirksvorsteherin hat man nicht wirklich Macht."

Nichtsdestotrotz scheint es naheliegend, dass der Wechsel nicht rein "aus Liebe zu Wien" geschah, wie angepriesen. Stenzel hätte auch mit einer eigenen Liste kandidieren können. Die Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen bezeichnete sie als "die Erfolg versprechendste Variante". Dass ihr dadurch Wähler weglaufen könnten, befürchtet sie nicht. "Ich werde ein paar verlieren, aber viele gewinnen", meinte sie gegenüber der "Wiener Zeitung". Ob es genug sein werden, um ihr die Wiederwahl zur Bezirksvorsteherin zu sichern, ist fraglich. Die FPÖ lag bei den letzten Gemeinderatswahlen 2010 in der Inneren Stadt mit 15,4 Prozent auf Platz vier hinter ÖVP, SPÖ und den Grünen.

Imageaufbesserung

"Wir als Freiheitliche haben schon im Vorfeld dieser Wahlbewegung gesagt, dass wir nicht nur an Stimmen, sondern auch an Breite gewinnen wollen", betonte Strache. Für ihn sei Stenzel "ein klares Signal als bürgerlich-wertkonservative aber auch eine liberale Ansage" und ein Ende von Ausgrenzung und Vorurteilen gegenüber der FPÖ. Die Partei setzt auf Stenzel als Sympathiebringerin. So bekräftigte die Bezirksvorsteherin selbst, die FPÖ sei schon lange eine bürgerliche Partei mit sozialer Kompetenz. "Ich bin ein Signal, dass die FPÖ wählbar ist und sein muss", betonte sie. "Frau Stenzel lässt alle alt aussehen, deren einziges Programm die Ausgrenzung der FPÖ als politische Partei ist", freute sich Strache. Er bezeichnete den diesjährigen Wahlkampf als "historische Chance" und war bemüht, Parallelen zur Oktoberrevolution von 1848 zu ziehen. Strache hatte Stenzel nach ihrer fehlenden Nominierung zur Spitzenkandidatin durch die Bezirks-ÖVP auch aktiv das Angebot gemacht, auf seiner Liste zu kandidieren. Für ihn sei sie "in mehrfacher Hinsicht ein Gewinn". Auch bei der Asylpolitik liegen Strache und Stenzel, die den regierenden Parteien bezogen auf die derzeitige Flüchtlingskrise Realitätsverweigerung vorwirft, auf einer Linie.

Empörung und Verwunderung

Auch mit Querschüssen auf die Volkspartei wurde nicht gespart. So meinte Strache, die Wiener ÖVP lebe "den Preis der inhaltlichen Selbstaufgabe", weil sie versuche, sich an die SPÖ anzubiedern. Auch Stenzel legte nach: "Im Schlepptau der SPÖ hat die Wiener ÖVP ihr Profil verloren." Ihre Parteimitgliedschaft hatte Stenzel am Montag im Zuge ihres Wechsels niedergelegt.

Im schwarzen Lager reagierte man größtenteils empört auf Stenzels Manöver. Der Wiener ÖVP-Chef Manfred Juraczka zeigte sich schockiert. "Ich kann wahrlich nicht nachvollziehen, wie man als Christdemokratin, Bürgerliche und glühende Europäerin für die FPÖ kandidiert, nur um den eigenen Machterhalt zu sichern. Ursula Stenzel hat mich menschlich enttäuscht". Sie hätte sogar eine Kandidatur als Doppelspitze mit dem Spitzenkandidat der Inneren Stadt, Markus Figl, in Aussicht gehabt. Dieser zeigte sich über Stenzels Entschluss erbost und witterte Verrat an den Bewohnern der Innenstadt. Einzig ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner gab sich nüchtern. "Ich bedaure die Entscheidung, nehme sie zur Kenntnis, und das ist es."

Wiens Bürgermeister Michael Häupl glaubt, dass sich Stenzel mit dieser Entscheidung, die für ihn "extrem schwer nachvollziehbar" sei, nichts Gutes getan habe. Weniger zurückhaltend äußerste sich SPÖ-Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler; "Ob jetzt nicht die eine oder andere Hofratswitwe im 1. Bezirk zum Riechsalz greift", ätzte er. Während die Grünen Stenzels Wechsel "zur Kenntnis" nehmen und als Chance für den Bezirk sehen, fordern die Neos "neue Ideen und neue Köpfe in der Politik, nicht nur Sesselrücken innerhalb der alten Parteien" für ganz Wien.