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Die Länder mögen’s lieber sicher

Von Clemens Neuhold

Politik

Pühringer: Entweder heben die Länder fast alle Steuern selbst ein oder gar keine.


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St. Pölten. Erfolgreiche Revolutionen sind im Land der institutionalisierten Gegenrevolution eine Rarität. Vor allem, wenn es um den Föderalismus, sprich das über Jahrzehnte gesponnene Beziehungsgeflecht zwischen Bund, Ländern und Gemeinden geht.

Am Mittwoch verhandelten die Landeshauptleute in St. Pölten, wer sich künftig wie viel aus der Gemeinschaftskasse nehmen darf. Technisch ausgedrückt: wer über den Finanzausgleich wie viel vom 75 Milliarden Euro schweren Steuerkuchen bekommt.

Neos provozieren

Draußen nagelte Neos-Chef Matthias Strolz einen Forderungskatalog an die Tür. Revolutionärste Forderung: Die Neos wollen die Macht der Landesfürsten brechen, indem sie die Amtszeit auf maximal zwei Perioden begrenzen. "Für Politiker, die es nicht können, sind zehn Jahre zu viel. Aber erfolgreiche Politiker soll ich nach zwei Jahren heimschicken?" Der Landeshauptmann von Oberösterreich Josef Pühringer (ÖVP) hält im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" eher nichts davon. Er verweist auf Heinrich Gleißner, der im Bundesland 26 Jahre regierte.

Eine weitere Forderung der Neos ist weniger revolutionär, weil sie in der Schweiz bereits gelebt wird. Es geht um die Steuerautonomie. Demnach heben Länder ihre Steuern selbst ein. Durch unterschiedliche Tarife treten die Länder (in der Schweiz die Kantone) miteinander in einen Steuerwettbewerb.

Pühringer kann sich eine Steuerautonomie vorstellen, meint aber: "Entweder führen wir ein System wie in der Schweiz ein oder machen mit einem reformierten Finanzausgleich weiter." Aus seiner Sicht kommen alle Steuern, die nicht europäisch geregelt sind (etwa die Mehrwertsteuer, Anm.), infrage. Das beträfe dann auch die Lohn- und Einkommen- sowie die Körperschaftsteuer. In diesem Modell würde ein Steuerwettbewerb zwischen Bundesländern einsetzen. Um Steuerdumping zu vermeiden, plädiert Pühringer für Steueruntergrenzen. "Alibi-Lösungen" lehnt er ab. Dabei spielt er auf Ideen an, etwa nur die Grundsteuer zu erhöhen und den Ländern einen Teil der Mehreinnahmen zukommen zu lassen. Die Grundsteuer ist derzeit eine Gemeindeabgabe und muss bald reformiert werden, was wohl auf eine Erhöhung hinausläuft.

Ganz oder gar nicht also. Angesichts der tektonischen Verschiebungen, die eine Steuerautonomie auslösen würde, spricht Vieles für "gar nicht". Denn erstens gibt es Widerstand gegen die Steuerautonomie sowohl bei SPÖ wie auch ÖVP. Und selbst jene, die aufgeschlossen sind wie der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner, winken ab, wenn es konkret wird. Höhere Grundsteuer? Nicht mit Wallner.

Von Revolutionen scheinen die Länder ohnedies schon genug zu haben. So nimmt Finanzminister Hans Jörg Schelling die Länder bei der Kärntner Skandalbank Hypo finanziell in die Pflicht. Für diesen Kulturbruch erntete er prompt einen Rache-Sager des niederösterreichischen Finanzreferenten Wolfgang Sobotka: "Bei Philippi sehen wir uns wieder."

Die große Entflechtung

Wer diesen Spruch zitiert, prognostiziert seinem Gegenüber dessen baldigen Untergang. Realpolitisch saßen die Landeshauptleute in der Vergangenheit bei Machtkämpfen mit dem Bund stets am längeren Hebel. Die Lust auf eine unbestimmte Zukunft samt Steuerhoheit nach Schweizer Vorbild ist deswegen wohl im Reich der Gedankenspiele anzusiedeln.

Kleine Revolutionen kann es im Tauziehen um die Finanzströme aber sehr wohl geben. So könnte das Beziehungsgefilde zwischen Bund, Ländern und Gemeinden so entflochten werden, dass am Ende jeder weiß, wer wofür zuständig ist. Keine geringe Leistung in einem komplizierten Land wie Österreich.

Das würde etliche Beamte einsparen, die damit beschäftigt sind, zigtausende, komplexe Transaktionen zwischen den Körperschaften zu administrieren. Etwa: "Der Bereich Spitäler wandert voll zu den Ländern, die Kinderbetreuung voll zu den Gemeinden, die Pflege zu den Ländern und die Lehrer entweder voll zum Bund oder zu den Ländern." Dieses Szenario zeichnet Peter Biwald. Der Geschäftsführer des Zentrums für Verwaltungsforschung (KDZ) hat bereits 2010 Ideen für den Finanzausgleich neu präsentiert. Entsprechend neu müssten auch die Finanzströme gelenkt werden.

Verzögerungstaktik

Doch die Politik drückte sich vor Reformen und gab den alten Verteilungsschlüssel aus Bequemlichkeit an die künftigen Regierungen weiter. Das geht nun nicht mehr. Deswegen fängt Schelling schon jetzt mit den Verhandlungen an, damit bis Mitte 2016 nicht der kleinste gemeinsame Nenner übrig bleibt. Untrennbar mit dem Finanzausgleich verbunden sind nämlich seine Sparpläne in der Verwaltung.

Damit will er einen Teil der Lohnsteuersenkung finanzieren und gleichzeitig erreichen, dass 2016 keine neuen Schulden gemacht werden. Wie sich das ausgehen soll, wenn auch Ausgaben für Ärzte, Pflege, Pensionen, Arbeitslose steigen, kann Pühringer nur so beantworten: "Die einzige Lösung ist, dass die Wirtschaft anspringt."

Damit das bis 2016 passiert, braucht es aus heutiger Sicht tatsächlich Revolutionen.